Kriegerin der Nacht
hätte dem widerstehen können. Galen lächelte zurück.
»Nicht annähernd so gut wie du.«
Für einen Moment verharrten sie, sahen einander an, hielten einander an den Händen - und strahlten. Sie sahen perfekt aus, Silber und Gold, ein Märchenbild. Das ist es. Es ist geschehen. Sie wird die Zeremonie jetzt durchlaufen müssen, dachte Kelly. Solange sie lebt, haben wir eine Wilde Macht rekrutiert. Mission erfüllt.
Ich bin wirklich glücklich darüber.
Warum also fühlte sich ihre Brust so schwer an, dass sie bei jedem Atemzug schmerzte?
***
Es war spät am Nachmittag, als der zweite Anruf kam.
»Nun, sie haben den Fahrer des Wagens gefunden«, verkündete Nissa.
Kelly schaute auf. Sie hatten die Schachtel mit den Pergamenten in Ilianas Zimmer gebracht, als Mrs Dominick vom Einkäufen zurückgekommen war. Jetzt lagen die Schriftstücke unordentlich auf dem Boden ausgebreitet, während Iliana mit schweren Lidern und beinahe schlafend auf dem Bett ruhte. Als Nissa hereinkam, setzte sie sich auf.
»Wer war es?«
»Ein Gestaltwandler. Sein Name ist Fulton Arnold. Er wohnt ungefähr zehn Meilen von hier entfernt.«
Kelly spannte die Muskeln an. »Arnold, der >Adlerherrscher<.« Sie sah Galen an.
Er nickte grimmig. »Die Adler werden einiges erklären müssen. Verdammt, es war schon immer schwer, mit ihnen auszukommen, aber das ...«
»Also hatte der Zwischenfall tatsächlich mit der Nachtwelt zu tun«, stellte Winnie fest. »Aber hat der Zirkel auch herausgefunden, warum?«
Nissa setzte sich auf den Stuhl vor Ilianas goldweiße Frisierkommode. »Nun, sie haben eine Idee.« Sie betrachtete Galen. »Und sie wird dir nicht gefallen.«
Er legte eins der alten Fragmente nieder und richtete sich sehr gerade auf, trostlos und beherrscht. »Was?«
»Wir haben ja schon all die Theorien besprochen, warum Gestaltwandler Menschen angreifen. Ob es nur der gewöhnliche Gestaltwandler auf der Straße ist oder alles auf Befehle des Ersten Hauses zurückgeht und so weiter. Nun ja, der Zirkel der Morgendämmerung denkt, es seien Befehle, aber nicht vom Ersten Haus.«
»Die Gestaltwandler würden keine Befehle von Vampiren entgegennehmen«, erwiderte Galen steif. »Also ist der Rat der Nachtwelt aus dem Spiel.«
»Sie denken, es sei der Drache.«
Kelly schloss die Augen und schlug sich an die Stirn.
Natürlich. Warum war sie bloß nicht darauf gekommen? Der Drache gab direkte Befehle und inszenierte sich als legendärer Herrscher, der zurückgekehrt war, um die Gestaltwandler zu retten. »Es ist, als sei König Arthus zurückgekehrt«, murmelte sie.
Iliana, die immer noch auf dem Bett saß, runzelte erschrocken die Stirn. »Aber ihr habt gesagt, Drachen waren böse. Ihr habt gesagt, sie waren grausam und schrecklich und haben versucht, die Welt zu zerstören.«
»Richtig«, antwortete Kelly trocken. Einzig Iliana konnte glauben, dass dies ein Grund war, ihnen nicht zu folgen. »Das waren sie. Aber sie waren auch stark. Sie haben dafür gesorgt, dass die Gestaltwandler herrschten. Ich bin mir sicher, dass es jede Menge Gestaltwandler gibt, die einen Drachen wieder herzlich aufnehmen würden.« Sie sah Galen mit wachsender Sorge an, während sie darüber nachdachte. »Sie werden glauben, dass damit eine neue Ära für sie anbricht, vielleicht sogar mit der Möglichkeit, die Herrschaft zurückzuerobern. Und wenn sie das denken, wird nichts, was das Erste Haus sagt, einen Unterschied machen. Selbst die Mäuse werden sich in Scharen um Azhdeha versammeln.«
»Du meinst, die Versprechenszeremonie nutzt nichts?« Ein Ruck schien durch Iliana zu gehen. Das Interessante war, dass sie nicht gerade erleichtert wirkte - tatsächlich, dachte Kelly, wirkt sie geradezu entsetzt.
»Nein, schlag dir diese Idee gleich wieder aus dem Kopf«, sagte Kelly knapp. »Es bedeutet ...« Sie brach
jäh ab und begriff plötzlich, was es bedeutete. »Es bedeutet, dass ...«
»... wir den Drachen töten müssen«, ergänzte Galen.
Kelly nickte. »Ja. Nicht nur gegen ihn kämpfen. Wir müssen ihn loswerden. Sicherstellen, dass er nicht mehr da sein wird, um irgendjemandem Befehle zu erteilen. Es ist die einzige Chance, zu verhindern, dass die Gestaltwandler gespalten werden.«
Iliana blickte nüchtern auf den Wirbel von Papier hinab, der den Boden ihres Zimmers bedeckte. »Verraten euch irgendwelche von diesen Unterlagen, wie man einen Drachen tötet?«
Kelly hob ein Stück Pergament hoch und ließ es wieder fallen. »Bisher hat uns nichts
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