Kriegerin der Nacht
zumindest keine offizielle. Allerdings - was sie privat tun, dazu kann ich nichts sagen.« Seine Stimme war immer noch tonlos; er entschuldigte sich nicht.
Dann blickte er in die Runde und sah sie alle an. »Meine Eltern sind Kämpfer. Sie gehören nicht zum Zirkel der Morgendämmerung und sie mögen die Hexen nicht. Aber sie mögen auch die Vampire nicht. Sie werden sich vor allem auf diejenige Seite schlagen wollen, die siegen wird. Und das wiederum hängt davon ab, auf welcher Seite die Wilden Mächte stehen.«
»Ich denke, sie wollen etwas anderes«, widersprach Kelly.
»Und das wäre?«
»Sie wollen, dass die Hexen sie fair behandeln und nicht nur versuchen, sie zu benutzen. Ich meine, wenn der Zirkel der Morgendämmerung das Hexenkind findet, es aber nicht dem Erben des Ersten Hauses verspricht - nun, dann wären sie nicht gerade glücklich, oder? Und es ist fraglich, welcher Seite sie sich dann zuwenden. Dabei geht es aber nicht nur darum, ein verwandtschaftliches Band mit den Hexen zu knüpfen. Sie wollen Gleichberechtigung, das Gefühl, die gleichen Chancen zu haben, die gleiche Behandlung zu bekommen.«
Nissas hellbraune Augen wurden schmal und sie schien beinahe zu lächeln. »Ich denke, du hast es ziemlich gut auf den Punkt gebracht.«
»Es kommt also letzten Endes darauf an«, fasste Kelly zusammen, »was am Samstagabend geschieht. Wenn es eine Versprechenszeremonie gibt, bedeutet das, dass die Hexen die Wilde Macht gefunden haben und bereit sind, sie mit den Gestaltwandlern zu verbinden. Wenn nicht...«
Sie ließ den Satz in der Luft hängen und sah Iliana an.
So, dachte sie. Ich habe es jetzt ganz einfach ausgedrückt und du kannst es jetzt nicht mehr leugnen. Und
du kannst dich nicht mehr weigern zu akzeptieren, was auf dem Spiel steht.
Ilianas Augen wirkten wie ferne violette Gewitterwolken. Kelly konnte nicht erkennen, was sie dachte. Vielleicht, dass sich die Situation zwar nicht leugnen ließ, dass sie selbst jedoch nichts damit zu tun hatte.
Winnie holte tief Luft. »Galen.«
Sein Gesicht war immer noch ausgezehrt und unglücklich, aber der brennende Ärger in seinen Augen war erloschen. Winnie suchte Galens Blick.
»Es tut mir leid«, begann sie. »Ich hätte diese Dinge vorhin nicht sagen sollen. Ich weiß, dass du auf unserer Seite stehst. Und ich bin nicht wie diese Leute, die den Gestaltwandlern nicht vertrauen.«
Er lächelte sie schwach an, aber seine Augen waren ernst. »Ich weiß nicht. Vielleicht solltet ihr uns nicht vertrauen. Es gibt Dinge in unserem Blut ... man kann die Drachen nicht ganz loswerden.«
Es war seltsam. In diesem Moment sahen seine Augen für Kelly nicht nur dunkel aus, sondern beinahe rot. Das genaue Gegenteil von ihrem gewohnten Grüngold. Es war, als schwele irgendwo tief in diesen Augen ein Licht.
Da streckte Winnie abrupt die Hand quer über den Tisch aus. »Ich kenne dich«, sagte sie. »Und da ist nichts Böses in deinem Blut. Ich werde dir nicht noch einmal misstrauen.«
Galen zögerte eine Sekunde lang, dann beugte er sich mit so etwas wie Dankbarkeit vor und ergriff ihre Hand.
»Danke«, flüsterte er.
»He, wenn ich das Hexenkind wäre, würde ich mich dir auf der Stelle versprechen«, erklärte Winnie. Dann schniefte sie, aber ihr Lächeln war wieder fast das alte.
Kelly sah Iliana beinahe beiläufig an und war fasziniert von dem, was sie erblickte.
Dieses Mädchen hatte sich wieder einmal verändert. Jetzt sah Iliana nicht mehr aus wie eine Prinzessin oder eine Eisjungfer, sondern wie ein sehr junger Soldat, der im Begriff stand, in die Schlacht zu ziehen. Oder vielleicht wie ein Menschenopfer, das seinen Stamm retten konnte, indem es in einen Vulkan sprang.
Ihr Haar schien zu leuchten, silbrig und bleich, und ihre Augen waren von einem tiefdunklen Violett in ihrem kleinen Gesicht. Sie hatte die schmalen Schultern gestrafft und ihr Kinn entschlossen vorgereckt.
Während sie auf etwas Unsichtbares in der Mitte des Tisches starrte, stand Iliana langsam auf.
Sobald die Bewegung ihre Aufmerksamkeit errang, verfielen die anderen in Schweigen. Es war für alle offensichtlich, dass jetzt etwas Wichtiges geschah.
Iliana stand da, die Hände in den Hüften zu Fäusten geballt, und ihre Brust hob und senkte sich sichtbar. Dann sah sie Galen an, und schließlich Kelly.
»Ich bin ebenso wenig das Hexenkind, wie Winnie es ist. Und ich denke, ihr wisst das inzwischen. Aber ...« Sie holte tief Luft und richtete sich noch höher auf.
Kelly
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