Kriegerin der Nacht
zweifellos, ob ihr Boss noch ein Ass im Ärmel hatte.
Dummerweise hatte Kelly keins. »Wir werden uns einfach etwas überlegen müssen«, sagte sie zu ihrem Team. »Wir werden alles so gut wie möglich absichern und keinen Moment von ihrer Seite weichen.«
Winnie und Nissa tauschten einen unglücklichen Blick. Aber sie sagten nichts.
Kelly sah Iliana an. »Die Sache ist die - du musst um Mitternacht bei der Sonnenwendzeremonie sein. Sie treffen sich in Charlotte, das bedeutet also eine Fahrt von ungefähr zwanzig Minuten und wir sollten aus Sicherheitsgründen besser genug Zeit dafür einplanen. Sagen wir, mindestens eine Stunde. Wenn du nicht dort bist, wo sich die Gestaltwandler und die Hexen treffen, um Punkt Mitternacht...«
»Dann verwandelt sich meine Kutsche in einen Kürbis«, warf Iliana spitz ein. Sie tupfte sich mit einem Papiertaschentuch die Nase ab.
»Nein, die Gestaltwandler werden verschwinden und jede Chance auf ein Bündnis wird für immer dahin sein.«
Iliana wurde wieder ernst und starrte auf den Tisch. Dann sah sie Kelly in die Augen. »Ich werde da sein. Ich weiß es, und weißt du warum? Weil du mich dort hinbringen wirst.«
Kelly starrte sie erstaunt an. Sie hörte, wie Winnie ein kurzes, schrilles Lachen ausstieß, und sah, dass Nissa ein Lächeln unterdrückte.
Dann wurden ihre eigenen Lippen von einem Lächeln gestreift. »Du hast recht; das werde ich tun. Und wenn ich dich hinzerren muss. Hier, meine Hand drauf.«
Sie schüttelten einander die Hand. Und dann wandte Iliana sich an Galen.
Sie hatte ihn die ganze Zeit aus dem Augenwinkel beobachtet, während sie sprach. Und jetzt wirkte sie wieder zögerlich.
»Wenn es irgendetwas gibt - irgendeinen Grund, warum ich es nicht tun sollte ...« Sie brach unsicher ab.
Kelly versetzte Galen einen unauffälligen Tritt gegen den Knöchel. Einen festen.
Er schaute auf. Er sah immer noch nicht wie der Galen aus, den sie kannte. Das Gespräch über die Drachen hatte irgendetwas bei ihm bewirkt, hatte einen Schatten über sein Gesicht geworfen und seinen Blick nach innen gerichtet. Und Ilianas Ankündigung hatte nichts daran geändert.
Kelly starrte ihn durchdringend an und wünschte, sie besäße die Gabe der Telepathie. Wage es nicht, dachte sie. Was ist los mit dir? Wenn du das hier vermasselst, nach all der Mühe, die wir uns gegeben haben, und wobei so viel auf dem Spiel steht...
Dann wurde ihr etwas klar. Vorher, als er die Geschichte der Drachen erzählt hatte, hatte Galen nachdenklich und ein wenig beängstigend ausgesehen. Jetzt sah er immer noch nachdenklich aus, aber auch unaussprechlich traurig. Als sei sein Herz gebrochen - seine Miene zeugte von tiefer Trauer.
Sie konnte beinahe seine Stimme in ihrem Kopf hören. Kelly, es tut mir leid ...
Sei keine Idiotin, dachte Kelly. Sie mochte vielleicht nicht telepathisch begabt sein, aber sie war sich sicher, dass er in ihren Augen lesen konnte. Was sollte ihm leidtun? Beeil dich und tu, was von dir erwartet wird.
Ihr Herz hämmerte, aber sie kontrollierte ihre Atmung mit eisernem Willen. Nichts war von Belang, außer dem Zirkel der Morgendämmerung und der lebenswichtigen Verbindung. Nichts. Wenn sie ausgerechnet jetzt auch nur den Hauch eines anderen Gedankens hegen würde, wäre das der Gipfel des Egoismus.
Und Liebe ist nur etwas für die Schwachen.
Galen senkte den Blick, beinahe, als habe er eine Schlacht verloren. Dann wandte er sich langsam von Kelly ab und sah Iliana an.
Iliana, die atemlos und mit Tränen in den Augen dastand, die wie Diamanten an ihren Wimpern hingen und zu fallen drohten. Kelly verspürte ein Ziehen in ihrer Brust.
Aber Galen tat wie immer genau das Richtige. Er griff sanft nach Ilianas Hand und führte sie in einer Geste der Demut und Schlichtheit an seine Wange. Er tat es, ohne auch nur für einen Moment nicht nobel zu wirken. Schließlich war er ein echter Prinz.
»Es wäre mir eine große Ehre, mit dir die Versprechenszeremonie zu vollführen«, erklärte er und schaute
zu ihr auf. »Wenn du dich dazu überwinden kannst. Du verstehst alles, was ich dir zuvor erzählt habe - über meine Familie ...«
Iliana blinzelte und atmete wieder. Die Tränen waren auf magische Weise verschwunden und ihre Augen wirkten wie vom Regen reingewaschene Veilchen. »Ich verstehe all das. Es spielt keine Rolle. Es ändert nichts an dir, und du bist immer noch einer der besten Männer, die mir je begegnet sind.« Sie blinzelte erneut und lächelte.
Niemand
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