Kriegerseelen
und Hemden. Jedes Jahr, wenn Sibirien kurz aus seinem Winterschlaf erwachte und die Sonne den Boden erwärmte, dass er zumindest oberflächlich auftaute, wurde die Jagdsaison eingeläutet. Bis zu zwanzig Männer wurden dafür auserwählt. Es war ein grausames Spiel, das Prokojev mit den Bewohnern spielte. Wie Tiere wurden sie freigelassen und dann von seinen Soldaten gejagt.
Nie war auch nur einer von ihnen zurückgekommen. Die Chancen standen denkbar schlecht für die jungen Männer, die weder eine Ausbildung im Kampf, noch im Umgang mit Waffen hatten.
Die Wächter waren in Schwarz gekleidet. Sie trugen alle ein drahtloses Ohr- Komm.
Gerade waren sie dabei die Teilnehmer für die nächste Jagd auszuwählen. Nur kräftige junge Männer kamen dafür in Frage. Alle mussten vorher zum Gesundheitscheck. Stellten die Ärzte besondere Genmerkmale fest, so wurden sie für die Zucht vorgemerkt. Hatten sie keine wünschenswerten Eigenschaften, nahm man sie für die Jagd her.
Es gab wenige alte Menschen in Ondraka. Nur die Besten und Stärksten durften leben. Hin und wieder wurde aussortiert. Wer alt wurde und das Arbeitstempo nicht mehr halten konnte, wurde weggebracht. Wohin wusste niemand genau. In Wahrheit wurden die Alten eingeschläfert wie Tiere.
Zwei Wächter hatten gerade ihre Auswahl in Sektor 1 getroffen, in dem nur wenige Männer arbeiteten. Hier gab es mehr Frauen, denn diese Arbeiten konnten auch von ihnen bewältigt werden. In den übrigen Sektoren sah es anders aus. Dort wurde Muskelkraft gebraucht.
Im Sektor 2 waren die meisten Männer bei der Arbeit. Es gab Schreiner und Metallarbeiter. Hier wurde alles hergestellt, was das unterirdische Dorf brauchte. Von Möbelstücken bis Kochgeschirr. Ebenso alle anderen benötigten Alltagsgegenstände aus Holz, Eisen und Metall.
Einer der Wächter beobachtete gerade einen Mann, der mit nacktem Oberkörper an einem Stück glühendem Eisen arbeitete. Sein Rücken glänzte vom Schweiß und die Muskeln an seinen Oberarmen traten bei jedem Schlag deutlich hervor.
Der Bursche sah gesund und kräftig aus. Er trat näher und ließ sich von ihm die Nummer zeigen, die jeder Ondraker in seinen Nacken tätowiert bekam, sobald er das fünfte Lebensjahr erreicht hatte.
Mit einem Miniscanner las er die Zahlenkombination ein und schickte sie weiter an die Klinik, die in einem separaten oberirdischen Gebäude lag. Dort würde man seine Daten aufrufen und ihn am nächsten Tag zum Gesundheitscheck holen lassen. Der Wächter registrierte zufrieden, dass der junge Mann unterwürfig seinen Blick gesenkt hatte, als er ihn ansprach. Es kursierte zwar immer wieder das Gerücht, dass einige der jungen Ondraker sich gegen Peace auflehnten und Nahrung verweigerten, doch sie konnten der Droge nicht entgehen. Selbst das Trinkwasser war damit angereichert.
Sein Kollege gesellte sich zu ihm und die beiden Wächter setzten ihren Weg fort. Am Ende ihres Rundgangs hatten sie fünfzehn Männer registriert und hofften, dass der Boss mit ihrer Arbeit zufrieden war. Ihre Schicht war zu Ende und sie fuhren mit dem codegesicherten Aufzug dreißig Meter hinauf zur Oberfläche.
In der Zwischenzeit waren Tristan und Valentin im Palast angekommen. Der Butler ließ sie herein und begleitete sie in den Salon. Wie alles im Palast war auch der Raum mit dem großen Kamin an Prunk und Pomp nicht zu überbieten. Die beiden Soldaten fühlten sich sichtlich unwohl und fehl am Platz. Tristan stand am Kamin gelehnt und Valentin tigerte nervös umher. Als Schritte in der Eingangshalle zu hören waren, stellten sie sich nebeneinander und warteten auf den Boss.
Alexej trat ein und sah nicht gerade freundlich aus. Der Russe trug nur einen seidenen Morgenmantel. Sein Gesicht war leicht gerötet und seine Pupillen schienen riesengroß.
Tristan biss die Zähne zusammen. Er wusste, dass sein Boss mit Juno zusammen gewesen war und er wollte sich nicht ausmalen, was die beiden gerade getrieben hatten.
Doch er war Profi und seine Miene blieb unbewegt.
»Gab es keine Möglichkeit, die Männer lebend zu fangen?« Prokojevs Stimme klang eisig.
Tristan schlug die Hacken zusammen, »Nein Sir, die Flüchtigen konnten nur durch Tyrons Eingreifen aufgehalten werden und wurden dabei tödlich verletzt.«
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7. Kapitel
Lili saß am Schreibtisch und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.
Endlich hatte sie Storm in die Finger bekommen und die längst fälligen Untersuchungen an ihm durchführen können -
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