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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Spranger
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Pfad ins Laminat latschte.
    »Lass
uns nach Hause fahren«, sagte Daniel, »ich bin müde.
Wenn ich mal an einem Tag mein Sport-Programm nicht durchgezogen
habe, fühle ich mich wie ein ausgespuckter Kaugummi.«
    »Und
wie geht’s morgen weiter?«
    »Donnerstagsprogramm.
Ich mache erst mal meinen Waldlauf.«
    »Du
machst deinen Waldlauf?«
    »Ja,
vielleicht gestalte ich den Parcours diesmal besonders hart. Das
hilft beim Denken.«
    »Na,
wenn’s der Wahrheitsfindung dient.«
    »Danach
komme ich zu dir.«
    »Kann
ich noch was tun?«
    »Du
bist der Internet-Profi. Vielleicht flüstert dir das Netz bis
dahin noch was ein.«
    »Okay,
dann werde ich ganz besonders aufs Flüstern lauschen.«
    Maik
drehte den Autoschlüssel im Schloss und erzeugte ein
asthmatisches Röcheln, danach wartete er einen Moment. Zweiter
Versuch. Der Motor startete mit einem tiefen Grummeln, hielt sich
einen Moment wacklig, bevor er endgültig absoff. Durch alle
Ritzen des Autos drangen Benzindämpfe ins Fahrzeuginnere.
    »Bitte
sag mir, dass wir auf dieses Auto niemals bei einer Verfolgungsjagd
angewiesen sein werden«, lästerte Daniel.
    »Was
für eine Art Verfolgungsjagd meinst du? Eine, bei der wir die
Jäger oder bei der wir die Gejagten sind?«
    »Egal
welche. Das Auto hält beiden nicht stand.«
    »Kein
Wunder, dass er nicht anspringen will. Du verbreitest schlechtes
Karma. Gib dir mal mehr Mühe.«
    Maik
startete einen weiteren Versuch und diesmal sprang der Motor mit
einem missmutigen Getriebeaufschrei an. Während Maik ausparkte,
starrte Daniel zu den Schatten in der Wohnung hoch. Sie waren ständig
in Bewegung.

    ***

    Nachdem
Daniel ausgestiegen war, versuchte Maik einen Rallye-Start mit
quietschenden Reifen. Das mochte ihm auf der Playstation gelingen,
aber in echt machte das Auto einen kleinen Hüpfer nach vorn und
soff ab. Benzingeruch breitete sich aus. Daniel war mittlerweile
davon überzeugt, dass das Verhalten des Wagens nicht nur mit dem
Motor oder der Kupplung, sondern auch mit Maiks Fahrkünsten in
direktem Zusammenhang stand. Der Golf war für sein Alter in
einem erstklassigen Zustand. Einmal die Woche ordentlich gepflegt und
immer schön in die Garage eingepackt. Da konnte sich kein
Flugrost bilden, bis es Maik – begünstigt durch den
Schlaganfall seines Vaters – übernommen hatte, das
altehrwürdige Fahrzeug zugrunde zu richten. Vielleicht eine Art
Abnabelungsprozess. Sicher war sich Daniel nicht. Die
Psychologie-Lehrgänge fangen bei der Bundeswehr schon in der
unteren Führungsebene an, aber mit einer Wissenschaft, die nicht
in der Lage ist, Fakten zu vermitteln, konnte er nichts anfangen. Im
Zweifelsfall war es im Einsatz nützlicher, schnell sein Gewehr
nachladen zu können, als einen Vorgesetzten zu haben, der einem
sanft das Händchen hielt. Die Seele wurde eindeutig
überbewertet. Im Zweifelsfall führte sie einen dahin, wo er
jetzt war. Couch im Garten und das Haus leer. Melanie hatte den Wagen
mitgenommen. Bis Lea den Führerschein machte, war der auf keinen
Fall mehr fahrtüchtig. Den hatte ja keiner gepflegt. Vielleicht
investierte Rainer ein paar Stunden in die Wartung. Zuzutrauen war es
ihm. Der Typ brachte scheinbar so ziemlich alle Talente mit, die
Melanie bei Daniel vermisst hatte. Dazu noch die richtige
Einstellung. Schlecht, wenn man sich als getrennt Lebender
eingestehen muss, dass die Exfrau einen neuen Partner hat, der besser
zu ihr passt. Lea würde auf keinen Fall ein Auto brauchen, um
sich abzunabeln. Sie war jetzt schon voll dabei. Am liebsten hätte
Daniel geheult, aber mit so einem Scheiß würde er nicht
anfangen, solange er im Freien war. Da konnten ja die ganzen Nachbarn
zuschauen. Glotzten eh alle rüber, seit die Polizei und die
gesamte deutsche Medien-Landschaft vorfuhr. Sogar die Exfrau war da
gewesen, was noch nie vorgekommen war, seit der Umzugslaster klare
Verhältnisse geschaffen hatte. Vielleicht kampiere ich nur im
Garten, weil ich mir verbiete, im Freien zu heulen, dachte Daniel.
Zutrauen würde ich es mir. So einen quergelegten Plan. Schräg
zum gesunden Menschenverstand. Psychisch krank.
    Daniel
schüttelte sich, um die Gedanken loszuwerden, die ihn
infiltrierten. Der Bewegungsmelder reagierte sofort. Die Außenlampe
neben der Haustür verstrahlte ihr klares kaltes Licht. Eine
frostige Einladung. Wie immer hatte Daniel viel zu viel Zeug in der
Hosentasche, aber schließlich konnte er den Haustürschlüssel
isolieren. Das Licht ging aus. Daniel wedelte mit einem Arm.

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