Kriegsgebiete
schwitzen anfing. Die ganze Transpiration platzte auf
einmal aus ihm raus.
»Ich
weiß nicht.«
»Die
kriegen den auf jeden Fall. Hast du schon mal CSI gesehen?«
»Ja.«
»Der
Täter hinterlässt immer eine Spur.«
Lea
nickte entschlossen und sprang die Treppe nach unten.
»Ich
muss dir noch was sagen.«
Sie
drehte sich um. Ihre Bewegungen, ihr Blick, alles an ihr war
vorsichtig.
»Das
Ganze ist schon im Fernsehen.«
»Alles
ist schon im Fernsehen oder im Internet«, antwortete Lea.
»Ich
weiß«, sagte Daniel, »aber ich bin auch zu sehen.«
»Ja
und?«
»Die
haben mich gefilmt, als ich die Scheibe unserer Terrassentür mit
einem Blumenstock eingeworfen habe.«
»Warum
hast du das gemacht?«
»Die
Fernsehteams waren hinter mir her.«
»Und?«
»Ich
wollte nicht ins Fernsehen.«
»Aber
jeder will ins Fernsehen.«
»Ich
nicht.«
Lea
schüttelte mitleidig den Kopf.
»Du
bist echt alt.«
Sie
drehte sich um und ging zum Ausgang.
Daniel
rannte die Treppe hinunter. Am Treppenabsatz blieb er stehen. Er
wusste nicht, was er machen sollte.
»Ich
lass auf jeden Fall die Scheibe erneuern!«, rief er Lea
hinterher, aber seine Tochter reagierte nicht mehr. Sie stieg einfach
in den schwarzen Bonzenschlitten ein. Ohne zu winken. Das Auto rollte
vom Parkplatz.
Wer
oder was war eigentlich dieser Rainer für Lea? Ein Fahrer? Der
Freund ihrer Mutter? Irgendein aufgeblasener Erwachsener? Ein
Ersatzvater? Mit ein paar gezielten Fußtritten demolierte
Daniel den Kaffee-Automaten im Eingangsbereich der Beratungsstelle.
Ein Plastikbecher nach dem anderen wurde aus dem Automaten gespuckt,
als wären sie der Hauptgewinn. Daniel ging zum Ausgang. Hinter
ihm plätscherte Cappuccino auf den Boden. Wütend stieß
er die Glastür auf. Im Freien atmete er durch.
***
Daniel
und Maik saßen in einem zehn Jahre alten Golf und schauten sich
das Mehrfamilienhaus an. Der orange Anstrich leuchtete im Licht der
untergehenden Sonne.
»Häuser
tragen keine Trauer«, sagte Daniel.
»Was?«
»Man
stellt sich unweigerlich vor, dass sich das Haus schwarz einfärbt,
wenn einer seiner Bewohner gestorben ist. Jedenfalls in unserem
Kulturkreis. In anderen Kulturen gilt weiß als Farbe der
Trauer.«
Maik
starrte auf das Haus.
»Also,
ich stell mir das nicht vor. Weder schwarz noch weiß. Außerdem
gibt es eine Menge weißer Häuser.«
»In
der Wohnung im dritten Stock wird heute kein Licht angehen. Das
sollte ein Haus traurig machen.«
»Ich
stell Musik an, bevor deine Gedanken noch desolater werden.«
Maik
kramte im Handschuhfach, das mit Dutzenden CDs gefüllt war.
»Was
suchst du?«
»Musik.«
»Scheint
ja genug da zu sein.«
»Man
muss schon das Richtige finden. Den Soundtrack, der passt. In neuen
Autos schließt du einfach deinen MP3-Player an und das war’s.
Ich musste meine Mutter beknien, wenigstens einen CD-Player
einzubauen. Mein Vater war immer der Meinung, dass Elektronik nur
dafür da sei kaputtzugehen. Aber jetzt ist er nur noch Beifahrer
und muss sich unterordnen.«
Maik
zog eine CD aus dem Durcheinander, deren Cover signalgelb in die
Aufmerksamkeit drängte und schob sie in den CD-Schacht. Die
Musik war die Entdeckung der Langsamkeit. Tatsächlich sah der
Sonnenuntergang damit versöhnlicher aus.
»Was
ist das?«
»Lambchop. How I Quit Smoking . Ein tolles Album.«
Der
Sänger trug die Texte mit seiner tiefen Stimme so
einschmeichelnd entspannt vor, dass Daniel mühelos jedes Wort
verstand, ohne seine Synapsen ausdrücklich aktivieren zu müssen.
Natürlich hätte er auch die Lyrics schneller Songs locker
übersetzen können. Immerhin hatte er vor jedem
Auslandseinsatz englisch gebüffelt, um mit den Verbündeten
problemlos in Funkkontakt treten zu können.
»Toll,
oder?«, fragte Maik. »Der Sänger ist ein Genie. Kurt
Wagner. Er schaut überhaupt nicht wie ein Genie aus. Oder wie
ein Sänger.«
»Wie
schaut er denn aus?«
»Früher
war er mal Installateur. Ich finde, er schaut bis heute wie ein
Installateur aus.«
»Ich
kenne Installateure, die ganz unterschiedlich aussehen.«
Im
zweiten Song sang Wagner:
» The
gentleness has perished
And the violent man has come down on
everyone
To whom can I speak today
The wrong which roams the
earth
There can be no end to it
It is just unstoppable.«
Daniel
starrte weiter aufs Haus und fragte: »Findest du das
aufbauend?«
»Ich
find’s versöhnlich. Immerhin heißt der Song The
Man Who Loved Beer .«
Maik
kramte in seinem Rucksack und holte zwei Dosen
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