Kriegsklingen (First Law - Band 1)
wenn wir dort eintreffen.«
West rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »Das wäre eine überwältigende Kriegsmacht.«
»Hm«, brummte der Marschall. »Hoffentlich. Es ist alles, was wir haben, jedenfalls mehr oder weniger, und das ist es, was mir Sorgen bereitet.« West sah ihn fragend an. »Dagoska, Herr Major. Wir können nicht gleichzeitig gegen die Gurkhisen und gegen die Nordmänner Krieg führen.«
»Aber, Herr Marschall, die Gurkhisen werden doch so schnell keinen Krieg riskieren? Ich dachte, das seien alles Gerüchte?«
»Das hoffe ich, das hoffe ich.« Burr schob geistesabwesend ein paar Dokumente auf seinem Schreibtisch hin und her. »Aber dieser neue Imperator, Uthman, ist anders, als wir erwartet haben. Er war der jüngste Sohn, aber als er vom Tod seines Vaters erfuhr … hat er all seine Brüder erwürgen lassen. Einige hat er selbst erwürgt, heißt es. Uthman-ul-Dosht nennen sie ihn. Uthman den Gnadenlosen. Er hat bereits die Absicht verkündet, Dagoska zurückzuerobern. Vielleicht ist das nur leeres Gerede, wer weiß. Vielleicht auch nicht.« Burr spitzte die Lippen. »Man sagt, er habe überall Spitzel. Vielleicht hat er schon von unseren Schwierigkeiten in Angland erfahren und bereitet sich möglicherweise darauf vor, unsere Schwäche auszunutzen. Wir müssen schnell mit diesen Nordmännern fertig werden. Sehr schnell. Mit den zwölf Regimentern und den Soldaten, die uns die Edelleute zur Seite stellen. Gerade in dieser Hinsicht könnte es gar keinen schlechteren Zeitpunkt für diesen Angriff geben.«
»Ich verstehe nicht?«
»Diese Sache mit den Tuchhändlern. Eine üble Geschichte. Einigen der großen Edelleute hat man damit sehr auf die Füße getreten. Brock, Ischer, Barezin und anderen. Die lassen sich jetzt Zeit mit ihren Einberufungen. Wer weiß, was die uns schicken werden, und wann? Einen Haufen halb verhungerter unbewaffneter Bettler vermutlich, wenn sie die Gelegenheit nutzen wollen, den Abschaum von ihren Ländereien loszuwerden. Eine nutzlose Horde überzähliger Esser, die auch noch eingekleidet und bewaffnet werden muss. Darüber hinaus haben wir viel zu wenige taugliche Offiziere.«
»Ich habe einige gute Männer in meinem Bataillon.«
Burr machte eine ungeduldige Geste. »Gute Männer, sicher! Ehrliche Männer, einsatzfreudige Männer, aber sie haben keine Erfahrung! Den meisten, die an den Kämpfen im Süden beteiligt waren, hat nicht gefallen, was sie dort erleben mussten. Sie haben die Armee verlassen und beabsichtigen nicht, wieder einzutreten. Ist Ihnen aufgefallen, wie jung die Offiziere heutzutage sind? Die kommen doch alle frisch von der Schulbank! Und jetzt hat auch noch Seine prinzliche Hoheit die Absicht bekundet, ein Kommando zu übernehmen. Der weiß nicht mal, an welchem Ende man den Degen festhält, aber er ist ganz wild auf Ruhm und Ehre, und ich kann ihn nicht zurückweisen!«
»Prinz Raynault?«
»Schön wär’s!«, rief Burr. »Raynault könnte man vielleicht sogar sinnvoll einsetzen! Nein, ich spreche von Ladisla! Der will eine Division kommandieren! Ein Mann, der tausend Mark im Monat für Kleidung ausgibt! Sein Mangel an Disziplin ist legendär! Ich habe sagen hören, dass er sich mehreren Bediensteten im Palast aufgedrängt hat, aber dem Erzlektor ist es wohl gelungen, die Mädchen zum Schweigen zu bringen.«
»Das kann doch nicht sein«, sagte West, dem dieses Gerücht allerdings auch schon zu Ohren gekommen war.
»Der Thronerbe inmitten der Gefahr, und das, während der König bei so schlechter Gesundheit ist? Eine unsinnige Vorstellung!« Burr stand wieder auf, rülpste und verzog das Gesicht. »Verdammte Magengeschichte!« Er schritt zum Fenster hinüber und sah mit gerunzelter Stirn auf den Agriont hinaus.
»Sie glauben, dass die Sache leicht beizulegen ist«, fuhr er dann mit leiser Stimme fort. »Der Geschlossene Rat. Ein kleiner Ausfall in Angland, der vorbei sein wird, wenn der erste Schnee fällt. Trotz des Entsetzens über Dunbrec. Die lernen es nie. Dasselbe haben sie über den Krieg mit den Gurkhisen gesagt, und der hätte uns fast erledigt. Diese Nordmänner sind nicht die primitiven Wilden, für die sie sie halten. Ich habe mit Söldnern aus dem Norden in Starikland gekämpft: harte Männer, an ein hartes Leben gewöhnt. Männer, die mit Kriegen groß geworden sind, furchtlos und stur, und die bestens wissen, wie man in den Bergen, in den Wäldern und in der Kälte kämpft. Sie gehorchen unseren Regeln nicht, sie
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