Kriegsklingen (First Law - Band 1)
weitere langsam durch die Wellen, mit geblähten Segeln, während winzige Figuren auf den Decks und in dem Spinnennetz aus Seilen zwischen den Masten herumkrabbelten.
»Ich sehe zwölf«, sagte Yulwei, »aber du hast schärfere Augen.«
Ferro sah aufs Wasser hinaus. Weiter entfernt, vielleicht zwanzig Meilen, sah sie an der gebogenen Küstenlinie eine weitere Festung und weitere Hafenanlagen. »Da drüben sind noch mehr«, sagte sie, »acht oder neun, und die sind größer.«
»Größer als die hier vorn?«
»Viel größer, ja.«
»Beim Atem Gottes!«, murmelte Yulwei vor sich hin. »Die Gurkhisen haben noch nie so große Schiffe gebaut, nicht einmal halb so große, und nicht halb so viele. Im ganzen Süden gibt es nicht genug Holz für eine solche Flotte. Sie müssen es im Norden gekauft haben, vielleicht von den Styrern.«
Ferro waren Schiffe, Holz oder der Norden egal. »Na und?«
»Mit einer Flotte von dieser Größe sind die Gurkhisen eine Seemacht. Sie könnten Dagoska vom Wasser aus angreifen und sogar Westport erobern.«
Fremde Namen weit entfernter Orte, die ihr nichts sagten. »Na und?«
»Du verstehst nicht, Ferro. Ich muss die anderen warnen. Wir müssen uns beeilen, sofort!« Er stand mit einem Ruck auf und lief eilig zur Straße zurück.
Ferro knurrte etwas. Sie sah den großen hölzernen Wannen noch ein Weilchen dabei zu, wie sie durch die Bucht glitten, dann erhob auch sie sich und folgte Yulwei. Große Schiffe oder kleine, für sie hatten sie keine Bedeutung. Die Gurkhisen konnten alle Rosigs in der ganzen Welt versklaven, wenn es nach ihr ging.
Jedenfalls, wenn das hieß, dass sie dann die richtigen Leute in Ruhe ließen.
»Aus dem Weg!« Der Soldat spornte sein Pferd an und ritt direkt auf sie zu, die Peitsche erhoben.
»Ich bitte abertausend Mal um Vergebung, Herr!«, jammerte Yulwei und verbeugte sich kriecherisch, ließ sich dann in das Gras neben der Straße fallen und zog die zögernde Ferro am Ellenbogen mit sich. Sie blieb am Straßenrand stehen und ließ die Gruppe langsam an sich vorüberziehen. Dünne Menschen, zerlumpt, schmutzig, mit leerem Gesichtsausdruck, die Hände fest gebunden und den Blick auf den Boden gerichtet. Männer und Frauen jeden Alters, sogar Kinder. Hundert oder mehr. Sechs Wachleute ritten an ihrer Seite, selbstbewusst in ihren hohen Sätteln, die aufgerollten Peitschen in den Händen.
»Sklaven.« Ferro fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Das Volk von Kadir hat rebelliert«, sagte Yulwei und sah dem erbärmlichen Zug nach. »Sie wünschten nicht länger, Teil der großartigen Nation von Gurkhul zu sein, und dachten, der Tod des Imperators sei ihre Gelegenheit, sich daraus zu lösen. Wie es scheint, haben sie sich geirrt. Der neue Imperator ist noch härter als der alte, oder was meinst du, Ferro? Ihre Rebellion ist schon jetzt gescheitert. Offenbar hat dein Freund Uthman zur Strafe Sklaven genommen.«
Ferro sah ein dünnes Mädchen an, das langsam an ihr vorüberhumpelte. Ihre nackten Füße schlurften über den Staub. Dreizehn Jahre vielleicht? Es war schwer zu sagen. Ihr Gesicht war schmutzig und ausdruckslos. Über ihre Stirn zog sich eine verschorfte Wunde, ebenso wie über die Rückseite ihrer Arme. Peitschenstriemen. Ferro schluckte, die Augen weiter auf das sich dahinschleppende Mädchen gerichtet. Ein alter Mann, der direkt vor ihm ging, stolperte und fiel bäuchlings in den Staub, wodurch der ganze Zug ins Stocken geriet.
»Beweg dich!«, bellte einer der Reiter und trieb sein Pferd an. »Aufstehen!« Der Alte versuchte sich aufzurappeln. »Beweg dich!« Die Peitsche des Soldaten pfiff durch die Luft und hinterließ eine lange rote Spur auf dem ausgemergelten Rücken des Mannes. Ferro zuckte bei dem Geräusch zusammen, und ihr Rücken begann zu brennen.
Dort, wo die Narben waren.
Fast, als sei sie selbst geschlagen worden.
Niemand schlägt Ferro Maljinn, ohne dafür mit dem Leben zu bezahlen. Nicht mehr. Sie riss sich den Bogen von der Schulter.
»Halte Frieden, Ferro!«, zischte Yulwei und ergriff ihren Arm. »Du kannst nichts für sie tun!«
Das Mädchen beugte sich hinunter und half dem alten Sklaven auf. Wieder knallte die Peitsche und traf nun sie beide, und es erklang ein Schmerzenslaut. War es das Mädchen gewesen oder der alte Mann, der geschrien hatte?
Oder Ferro selbst?
Sie schüttelte Yulweis Hand ab und griff nach einem Pfeil. »Ich kann diesen Bastard töten!«, fauchte sie. Der Kopf des Soldaten fuhr
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