Kriegsklingen (First Law - Band 1)
neugierig zu ihnen herum. Yulwei packte ihre Hand.
»Und dann?«, zischte er. »Wenn du sie alle sechs getötet hast, was dann? Hast du Nahrung und Wasser für hundert Sklaven? Hm? Falls ja, dann hältst du das gut versteckt! Und wenn der Zug vermisst wird? Hm? Und man die Wachen ermordet auffindet? Was ist dann, Mörderin? Kannst du hier draußen hundert Sklaven verstecken? Ich kann es nicht!«
Ferro sah starr in Yulweis schwarze Augen, die Zähne fest zusammengebissen; sie atmete scharf und stoßweise aus, während sie darüber nachdachte, ob sie nicht doch noch einmal versuchen sollte, ihn zu töten.
Nein.
Er hatte Recht, verdammt. Langsam drängte sie ihren Zorn zurück, soweit es ging. Sie ließ den Pfeil wieder los und kehrte ans Ende des Zuges zurück. Während sie sah, wie der alte Sklave weiterstolperte, das Mädchen hinter ihm, nagte die Wut an ihren Eingeweiden wie Hunger.
»Du da!«, rief der Soldat und lenkte sein Pferd zu ihnen hinüber.
»Jetzt hast du es geschafft«, zischte Yulwei und verbeugte sich übergangslos vor der Wache, katzbuckelnd und lächelnd. »Vergebung, Herr, mein Sohn ist …«
»Halt den Mund, alter Mann!« Der Soldat sah aus seinem Sattel zu Ferro hinunter. »Na, Junge, gefällt sie dir?«
»Was?« gab Ferro durch die zusammengebissenen Zähne zurück.
»Du musst nicht schüchtern sein«, lachte der Soldat, »ich habe doch gesehen, wie du sie angeblickt hast.« Er wandte sich wieder zum Zug. »Halt da vorn!«, rief er, und die Sklaven blieben nach und nach stehen. Er lehnte sich aus dem Sattel, packte das dürre Mädchen unter der Achsel und zerrte es roh aus der Gruppe heraus.
»Die ist wirklich nicht übel«, sagte er und zog sie zu Ferro hinüber. »Ein bisschen jung, aber sie ist schon soweit. Die macht sicher gut sauber. Hinkt bisschen, aber das heilt; wir haben sie ordentlich laufen lassen. Gute Zähne – zeig ihm deine Zähne, du Luder!« Die gesprungenen Lippen des Mädchens entblößten langsam das Gebiss. »Gute Zähne. Was meinst du, Junge? Zehn in Gold, und sie gehört dir! Das ist ein guter Preis!«
Ferro stand starren Blickes da. Das Mädchen blickte mit großen, stumpfen Augen ausdruckslos zurück.
»Sieh mal«, sagte der Soldat und beugte sich zu Ferro, »sie ist zweimal so viel wert, und es ist kein Risiko dabei! Wenn wir nach Schaffa kommen, sag ich, sie sei draußen im Staub verreckt. Da stellt niemand Fragen, das passiert dauernd! So bekomme ich zehn, und du sparst zehn. Ein Gewinn für alle!«
Ein Gewinn für alle. Ferro starrte den Wachmann an. Er setzte seinen Helm ab und wischte sich mit der Hand über die Stirn. »Halte Frieden, Ferro«, flüsterte Yulwei.
»Na schön, acht!«, rief der Soldat. »Sie hat ein hübsches Lächeln! Zeig ihm dein Lächeln, Luder!« Die Mundwinkel des Mädchens zuckten leicht. »Siehst du! Acht, und du machst ein prächtiges Geschäft!«
Ferros Fäuste ballten sich so sehr, dass sich die Nägel in ihre Handflächen bohrten. »Halte Frieden, Ferro«, flüsterte Yulwei drängend mit einem warnenden Ton in der Stimme.
»Beim Zahn Gottes, du handelst hart, mein Junge! Sieben, das ist mein letztes Angebot. Sieben, verdammt!« Der Soldat wedelte verärgert mit seinem Helm. »Wenn du sie gut behandelst, ist sie in fünf Jahren noch mehr wert! Das ist eine gute Geldanlage!«
Das Gesicht des Soldaten war nur wenige Fuß entfernt. Sie konnte jeden kleinen Schweißtropfen erkennen, der sich auf seiner Stirn bildete, jedes stopplige Haar auf seinen Wangen, jede Unebenheit, Kerbe und Pore seiner Haut. Sie konnte ihn riechen. Fast.
Die wirklich Durstigen würden Pisse trinken, oder Salzwasser oder Öl, ganz gleich, wie schlecht das für sie ist – so übermächtig ist ihr Durst. Ferro hatte das in den Wüsten Landen schon oft erlebt. So groß wie dieser Durst war ihr Bedürfnis, diesen Mann zu töten. Sie wollte ihn mit ihren bloßen Händen zerreißen, ihm das Leben aus dem Körper pressen, sein Gesicht mit ihren Zähnen zerfleischen. Der Wunsch war fast zu stark, um ihm zu widerstehen. »Halte Frieden!«, beschwor Yulwei sie.
»Ich kann sie mir nicht leisten«, hörte Ferro sich sagen.
»Das hättest du vorher sagen können, Junge, dann hätte ich mir meine Worte gespart!« Der Soldat setzte sich den Helm wieder auf. »Aber dennoch, ich kann es dir nicht verübeln, dass du einen Blick riskierst hast. Sie ist wirklich nicht übel.« Er beugte sich vor, griff das Mädchen unter dem Arm und schubste sie wieder zu den
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