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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Boden fiel. Seine Augen gewöhnten sich an das Dämmerlicht, und er konnte sogar die Blumen erkennen, die auf die kalte, schimmernde Oberfläche gemalt worden waren. Vorsichtig setzte er den Krug auf den Tisch zurück, aber dann kam ihm ein Gedanke. Wieso noch lange weiter suchen, wenn er hier einen idealen Nachttopf in Reichweite hatte? Verstohlen sah er sich im Raum um, schob den Krug an die richtige Stelle … und erstarrte.
    Er war nicht allein.
    Eine große, schlanke Gestalt, verschwommen im Zwielicht. Nur das lange Haar konnte er zweifelsfrei erkennen, das sich im Luftzug, der vom offenen Fenster herüberwehte, leicht bewegte. Er gab sich alle Mühe, die Dunkelheit zu durchdringen, aber das Gesicht konnte er nicht sehen.
    »Logen …« Es war eine Frauenstimme, sanft und tief. Ihr Klang gefiel ihm ganz und gar nicht. Im Zimmer war es kalt, sehr kalt. Fest hielt er den Krug gepackt.
    »Wer bist du?«, krächzte er, und seine Stimme klang unvermittelt laut in der toten Stille. Träumte er? Langsam schüttelte er den Kopf, seine Finger umschlossen verkrampft den Krug. Es wirkte alles so echt. Schrecklich echt.
    »Logen …« Die Frau kam geräuschlos auf ihn zu. Vom Fenster her fiel sanftes Licht seitlich auf ihr Gesicht. Eine weiße Wange, eine schattenhafte Augenhöhle, ein Mundwinkel, dann verlor sich alles wieder in der Dunkelheit. Aber es war etwas Vertrautes in diesem Gesicht … Logens Verstand suchte danach, während er zurückwich, die Augen auf den Umriss der Gestalt gerichtet, und bemühte sich, den Tisch zwischen sich und seinem Gegenüber zu behalten.
    »Was willst du?« Ein kaltes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, ein übles Gefühl. Er wusste, dass er besser um Hilfe rufen und die anderen wecken sollte, aber irgendwie musste er vorher herausfinden, wer das war. Er musste es wissen. Die Luft war schneidend kalt, und fast konnte Logen den Atem vor seinem Gesicht sehen. Seine Frau war tot, das wusste er, tot und kalt und wieder zu Schlamm geworden, schon vor langer Zeit und weit, weit weg. Er hatte das Dorf gesehen, zu Asche verbrannt und voller Leichen. Seine Frau war tot … und doch …
    »Thelfi?«, flüsterte er.
    »Logen …« Ihre Stimme. Ihre Stimme! Ihm blieb der Mund offen stehen. Jetzt streckte sie die Hand nach ihm aus, durch das Licht, das durch das Fenster fiel. Eine bleiche Hand, bleiche Finger, lange, weiße Nägel. Der Raum war eisig, frostig kalt. »Logen!«
    »Du bist tot!« Er hob den Krug und war bereit, ihn ihr auf den Kopf zu schlagen. Die Hand näherte sich, die Finger weit gespreizt.
    Plötzlich war der Raum taghell. Heller noch. Leuchtend, durchdringend hell. Die verschwommenen Umrisse der Türen, der Möbel, wandelten sich zu harten weißen Linien und schwarzen Schatten. Logen presste die Augen zusammen, schützte sie mit seinem Arm und taumelte keuchend gegen die Wand. Dann gab es ein ohrenbetäubendes Krachen wie bei einem Erdrutsch, ein Dröhnen und Splittern, als ob ein großer Baum gefällt wurde, und der Gestank brennenden Holzes durchdrang den Raum. Vorsichtig öffnete Logen ein Auge einen Spalt breit und lugte zwischen seinen Fingern hindurch.
    Der Raum war seltsam verändert. Er lag jetzt wieder im Dämmerlicht, war aber weniger dunkel als zuvor. Licht drang durch ein großes, zackiges Loch in der Mauer, wo zuvor das Fenster gewesen war. Zwei der Stühle waren verschwunden, ein dritter schwankte auf drei Beinen, und die zersplitterten Bruchkanten glommen noch leicht, sie glühten wie Holz, das lange Zeit im Feuer gelegen hat. Der Tisch, der nur einen Augenblick zuvor noch neben ihm gestanden hatte, lag nun in der Hälfte gespalten auf der anderen Seite des Raums. Ein Teil der Deckenverkleidung war von den Balken heruntergerissen worden, und der Boden war übersät von Stein- und Gipsbrocken, Holzstücken und Glasscherben. Von der seltsamen Frau war nichts zu sehen.
    Bayaz bewegte sich unsicheren Fußes durch die Trümmer auf das gähnende Loch in der Wand zu, während sein Nachthemd die dicken Waden umspielte, und spähte in die Nacht hinaus. »Es ist weg.«
    »Es?« Logen sah auf das schwelende Loch. »Sie kannte meinen Namen …«
    Der Zauberer stolperte zu dem letzten noch verbliebenen unversehrten Stuhl und ließ sich darauf fallen wie jemand, der äußerst erschöpft ist. »Ein Verzehrer möglicherweise. Gesandt von Khalul.«
    »Ein was?«, fragte Logen verwirrt. »Geschickt von wem?«
    Bayaz wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Ihr wolltet das

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