Kriegsklingen (First Law - Band 1)
ließ sich schwer neben West fallen, schloss die Augen und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während die Menge weiter klatschte und trampelte. Alles war zu grell, zu laut, zu überwältigend. Marschall Varuz war in der Nähe und lehnte sich über die Kabinenwand, um jemandem etwas ins Ohr zu brüllen. Jezal starrte auf den Kampfplatz hinaus auf diejenigen, die in der königlichen Loge saßen, und hoffte vergebens auf Ablenkung.
»Seine Majestät der König scheint an der ganzen Sache Freude zu haben«, flüsterte West ihm ins Ohr.
»Hmm.« Der König schien vielmehr fest eingeschlafen zu sein, seine Krone saß bereits ein wenig schief auf seinem Kopf. Jezal fragte sich, was wohl passieren würde, wenn sie herunterfiel.
Kronprinz Ladisla war ebenfalls dort, wie immer höchst ausgefallen herausgeputzt, und strahlte mit einem so breiten Lächeln auf den Kampfplatz hinunter, als seien all die Leute nur seinetwegen gekommen. Prinz Raynault hingegen hätte nicht gegensätzlicher wirken können: Er saß nüchtern und gefasst da und sah mit besorgtem Blick zu seinem halb bewusstlosen Vater hinüber. Ihre Mutter, die Königin, saß kerzengerade und mit hochgerecktem Kinn daneben und war bestrebt, so zu tun, als ob ihr erlauchter Gatte hellwach sei und seine Krone keinerlei Gefahr lief, mit schmerzhaftem Aufschlag in ihren Schoß zu rutschen. Zwischen ihr und Lord Hoff nahm eine junge Frau Jezals Blick gefangen – eine schöne, sehr schöne Frau. Sie war sogar noch aufwändiger gekleidet als Ladisla, falls das möglich war, und trug eine Kette aus riesigen Diamanten um den Hals, die hell in der Sonne funkelten.
»Wer ist die Frau?«, fragte Jezal.
»Ah, Prinzessin Terez«, antwortete West leise. »Die Tochter von Großherzog Orso, Lord von Talins. Ihre Schönheit wurde immer schon gerühmt, und ausnahmsweise scheinen diese Gerüchte einmal gestimmt zu haben.«
»Ich dachte, aus Talins sei noch nie etwas Gutes gekommen.«
»Den Spruch kenne ich auch, aber ich denke, sie könnte wohl eine Ausnahme sein, oder?« Jezal war nicht ganz überzeugt. Sie war sicherlich außergewöhnlich, aber in ihren Augen lag ein eisiger, stolzer Blick. »Ich glaube, die Königin plant, sie mit Prinz Ladisla zu verheiraten.« Während Jezal weiter hinüber sah, lehnte sich der Kronprinz vor, um die Prinzessin an seiner Mutter vorbei mit irgendwelchem sinnlosen Geschwätz zu bedenken, bevor er kreischend über seinen eigenen Witz lachte und sich vor Erheiterung auf die Knie schlug. Terez lächelte frostig und schaffte es, sogar auf diese Entfernung Verachtung auszustrahlen. Ladisla schien das jedoch nicht aufzufallen, und Jezals Aufmerksamkeit wurde schon bald abgelenkt. Ein großer Mann in roter Jacke ging gemessenen Schrittes auf den Ring zu. Der Kampfrichter.
»Es ist soweit«, raunte West.
Der Kampfrichter hob mit theatralischer Geste den Arm und streckte zwei Finger aus, dann drehte er sich langsam in der Runde und wartete, bis der Lärm nachließ. »Heute haben Sie das Vergnügen,
zwei
Runden Fechtkampf zu erleben!«, donnerte er, dann riss er die andere Hand in die Höhe, drei Finger hochgestreckt, während das Publikum applaudierte. »Es gewinnt, wer die meisten von
drei
Treffern erzielt!« Jetzt warf er beide Hände hoch. »
Vier
Männer werden hier vor Ihnen kämpfen – zwei werden wieder nach Hause gehen … mit leeren Händen.« Der Kampfrichter ließ einen Arm fallen, schüttelte traurig den Kopf, und die Menge seufzte. »Aber zwei werden in die nächste Runde kommen!« Mit lautem Brüllen bekundete das Publikum seine Zustimmung.
»Fertig?«, fragte Marschall Varuz und beugte sich über Jezals Schulter vor.
Welch eine blöde Frage. Und wenn er eben nicht fertig war? Was dann? Wurde dann alles abgesagt? Tut mir wirklich leid, dass Sie umsonst gekommen sind, ich bin noch nicht soweit? Vielleicht nächstes Jahr? Aber alles, was Jezal herausbrachte, war ein »Hmmm«.
»Es ist soweit!«, rief der Kampfrichter und drehte sich in der Mitte des Rings einmal um sich selbst. »Die erste Runde beginnt!«
»Die Jacke!«, zischte Varuz.
»O ja.« Jezal fummelte an den Knöpfen herum und zog sich die Jacke aus, dann rollte er sich gewohnheitsmäßig die Hemdsärmel auf. Bei einem schnellen Blick zur Seite stellte er fest, dass sein Gegner die gleichen Vorbereitungen traf. Ein großer, dünner junger Mann mit langen Armen und schwachen, leicht verträumten Augen. Keine besonders Furcht einflößende Gestalt. Jezal sah, dass die
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