Kriegsklingen (First Law - Band 1)
es kaum einmal. Auch hatte man ihm noch keine unmittelbar bevorstehende Beförderung angekündigt. Er musste einfach nur dasitzen, lächeln und von Fremden in prächtigen Kleidern, die ihm kaum in die Augen sahen, die seltsam lauwarmen Glückwünsche entgegennehmen. Wachspuppen wären nicht weniger überzeugend gewesen. Er musste zugeben, dass die Bewunderung des gemeinen Volks wesentlich befriedigender gewesen war. Da hatten sich die Leute wenigstens so angehört, als ob sie es wirklich ernst meinten.
Dennoch, er war noch nie innerhalb des Palastgebäudes gewesen, eine Festung innerhalb der Festung des Agrionts, in die in der Tat nur wenige je Einlass fanden. Und so saß er nun am obersten Tisch im Speisesaal des Königs, wobei Jezal davon ausging, dass Seine Majestät seine Mahlzeiten zumeist auf mehrere Kissen gestützt im Bett einnahm und dabei vermutlich gefüttert wurde.
Am anderen Ende des Raumes befand sich eine Bühne. Jezal hatte einmal gehört, dass Ostus, der Kindkönig, sich bei jedem Essen von Gauklern hatte unterhalten lassen. Morlick der Verrückte wiederum hatte dort Enthauptungen durchführen lassen, während er gegessen hatte. König Kasamir, so hieß es, hatte Schauspieler, die seinen schlimmsten Feinden glichen, dafür bezahlt, dass sie ihm jeden Morgen beim Frühstück Beleidigungen zuriefen, um in seinem Hass auf seine Gegner nicht nachzulassen. Die Vorhänge waren jetzt allerdings geschlossen. Jezal musste sich anderswo umsehen, wenn es ihn nach Unterhaltung gelüstete, und die Auswahl war nicht besonders prickelnd, wie er fand.
Marschall Varuz brabbelte ihm unablässig ins Ohr. Zumindest er war noch immer am Fechten interessiert. Leider redete er über nichts anderes. »So was habe ich noch nie gesehen. Die ganze Stadt ist in Aufruhr wegen Ihnen! Das war der großartigste Ausfall, den es je gegeben hat! Ich schwöre, Sie sind sogar besser als Sand dan Glokta früher war, und ich hätte nie gedacht, noch einmal einen Fechter wie ihn zu erleben! Nein wirklich, ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es in Ihnen steckt, derart zu kämpfen, Jezal, ich hatte ja nicht die geringste Ahnung!«
»Hm«, nickte Jezal.
Kronprinz Ladisla und seine angehende Braut, Terez von Talins, gaben am Haupt des Tisches, direkt neben dem eingenickten König, ein schillerndes Paar ab. Sie würdigten ihre Umgebung keines Blickes, aber auf andere Art, als man es sich von zwei jungen Liebenden gewöhnlich vorstellte. Die beiden stritten heftig mit kaum gedämpften Stimmen, während ihre Nachbarn sich alle Mühe gaben, so zu tun, als ob sie nicht gierig jedes ihrer Worte aufsaugten.
»… egal, ich ziehe sowieso bald in den Krieg, nach Angland, dann müssen Sie mich nicht länger ertragen!«, greinte Ladisla. »Vielleicht werde ich getötet! Aber möglicherweise würde ja das Eure Hoheit glücklich machen?«
»Bitte machen Sie sich nicht die Mühe, für mich zu sterben«, gab Terez zurück, und ihr styrischer Akzent klang giftgetränkt, »aber tun Sie, was Sie nicht lassen können. Es wird mir wohl gelingen, meine Trauer zu ertragen …«
Jemand, der etwas näher saß, lenkte Jezal ab, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug. »Dieses verdammte Volk! Die verdammten Bauern haben in Starikland zu den Waffen gegriffen! Diese faulen Hunde, sie weigern sich, auch nur einen Handschlag zu tun!«
»Das liegt an den Steuern«, polterte der Tischnachbar des Mannes, »diese Steuern haben sie so aufgestachelt. Haben Sie schon von diesem verdammten Kerl gehört, den sie den Gerber nennen? Irgend so ein verfluchter Bauer, der zur Revolution aufruft, ganz offen, das müssen Sie sich mal vorstellen! Ich habe gehört, dass einer der Steuereintreiber des Königs vom Pöbel umzingelt wurde, keine Meile vor den Toren von Keln. Ein Steuereintreiber des Königs, ich bitte Sie! Vom Pöbel bedroht, keine Meile vor dem Stadttor …«
»Das haben wir uns verdammt noch mal selbst zuzuschreiben!« Das Gesicht dessen, der jetzt sprach, war für Jezal nicht zu sehen, aber der Hauptmann erkannte ihn am goldbestickten Aufschlag seines Talars. Marovia, der Kronrichter. »Wenn man einen Menschen wie einen Hund behandelt, wird er früher oder später beißen, das ist ganz einfach eine Tatsache. Haben wir als Regierende und als Edelleute nicht die Verpflichtung, den gemeinen Mann zu respektieren und zu schützen, anstatt ihn zu unterdrücken und zu verachten?«
»Ich habe ja nichts von Verachtung gesagt, Lord Marovia, oder von
Weitere Kostenlose Bücher