Kriegsklingen (First Law - Band 1)
Haus für den Mittelpunkt der Welt zu halten.«
»Tja.« Bayaz sah sich in dem riesenhaften Raum um. »Der Schöpfer litt nie an übergroßer Bescheidenheit. Ebenso wenig wie seine Brüder.«
Jezal starrte mit leerem Blick in die Höhe. Der Raum war noch höher, als er breit und lang war, und die Decke, wenn es denn eine gab, verlor sich in Schatten. Ein eisernes Geländer lief um die unverputzten Wände, eine Galerie, die vielleicht zwanzig Schritt über ihnen lag. Dahinter, noch viel weiter oben, folgte eine weitere, und noch eine und noch eine, im Halbdunkel kaum zu erkennen. Über all dem hing das seltsame Gebilde.
Er zuckte plötzlich zusammen. Es bewegte sich! Alles bewegte sich! Langsam, leicht, still drehten sich die Ringe, verschoben sich, rotierten umeinander. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das Ganze angetrieben wurde. Irgendwie musste der Schlüssel es in Gang gesetzt haben, als Bayaz ihn ins Schlüsselloch geschoben hatte … oder hatte es sich vielleicht all die Jahre lang gedreht?
Ihm war schwindlig. Der ganze Mechanismus schien sich zu bewegen, schneller und schneller, ebenso wie die Galerien, die sich in entgegengesetzter Richtung verschoben. Der starre Blick nach oben verstärkte die Orientierungslosigkeit, die er verspürte, und er heftete die schmerzenden Augen auf den Boden, auf die Landkarte von Midderland unter seinen Füßen. Er hielt den Atem an. Das war ja noch schlimmer! Jetzt schien sich der ganze Boden zu drehen! Die ganze Halle kreiste um ihn! Die Torbogen, die nach draußen führten, sahen allesamt identisch aus, und es gab zwölf oder mehr. Er konnte schon jetzt nicht mehr sagen, durch welchen sie eingetreten waren. Ihn überkam eine Welle fürchterlicher Panik. Nur die weit entfernte schwarze Kugel inmitten dieser seltsamen Vorrichtung stand still. Er hielt seine tränenden Augen verzweifelt darauf gerichtet, zwang sich, langsam zu atmen.
Das Gefühl ging vorüber. Die riesige Halle hielt wieder inne, jedenfalls beinahe. Die Ringe bewegten sich immer noch, beinahe nicht wahrnehmbar drängten sie voran. Er schluckte einen Mundvoll Spucke hinunter, hob die Schultern und eilte den anderen mit gesenktem Kopf nach.
»Nicht dort entlang!«, brüllte Bayaz plötzlich. Seine Stimme explodierte in dem zähen Schweigen, schoss hinaus und prallte zurück, hallte tausend Mal in dem riesigen Raum wider.
»Nicht dort entlang!«
»Nicht dort entlang!«
Jezal sprang zurück. Der Torbogen und die düstere Halle dahinter sahen genauso aus wie jene, durch die seine Begleiter gegangen waren, aber Jezal erkannte jetzt, dass die richtige weiter rechts lag. Irgendwie hatte er sich gedreht.
»Nur dort hingehen, wo auch ich gehe, habe ich gesagt!«, zischte der alte Mann.
»Nicht dort entlang.«
»Nicht dort entlang.«
»Es tut mir leid«, stammelte Jezal, dessen Stimme in der großen Halle winzig klang. »Ich dachte … es sieht alles gleich aus!«
Bayaz legte ihm eine beruhigende Hand auf die Schulter und zog ihn sanft mit sich. »Ich wollte Ihnen keine Angst einjagen, mein Freund, aber es wäre doch eine Schande, wenn ein so viel versprechender Mann in so jungen Jahren schon von uns genommen würde.« Jezal schluckte, starrte in den schattenumwobenen Durchgang und fragte sich, was ihn dort wohl erwartet hätte. Sein Verstand bot ihm jede Menge unangenehmer Möglichkeiten an.
Das Echo flüsterte noch immer in sein Ohr, als er sich abwandte: »… nicht dort entlang, nicht dort entlang, nicht dort entlang …«
Logen hasste diesen Ort. Die Steine waren kalt und tot, die Luft war unbeweglich und tot, und selbst die Geräusche, die sie beim Herumgehen machten, klangen gedämpft und leblos. Es war nicht kalt und auch nicht heiß, und dennoch lief ihm der Schweiß über den Rücken, sein Hals prickelte vor ungerichteter Angst. Er fuhr alle paar Schritte herum, von dem plötzlichen Gefühl gepackt, dass man ihn beobachtete, aber nie war hinter ihm jemand zu sehen. Nur der junge Luthar und der Krüppel Glokta, die genauso verängstigt und verwirrt aussahen wie er.
»Wir haben ihn durch diese Hallen gejagt«, raunte Bayaz leise. »Elf von uns. Alle Magi, das letzte Mal zusammen. Alle außer Khalul. Zacharus und Cawneil, sie kämpften hier mit dem Schöpfer, und beide wurden besiegt. Sie hatten Glück, dass sie mit dem Leben davonkamen. Anselmi und Bruchzahn hatten weniger Glück. Kanedias brachte ihnen den Tod. Zwei gute Freunde, zwei Brüder, die ich an jenem Tag verlor.«
Sie drängten
Weitere Kostenlose Bücher