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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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so. Keine fünf Minuten später waren sie wieder da, sagten nichts, sahen aber aus, als hätten sie die Toten umgehen sehen.«
    »Was war geschehen?«, fragte Luthar leise.
    »Keine Ahnung, aber sie hatten keine Schätze dabei, das kann ich Ihnen versichern.«
    »Zweifelsohne eine beeindruckende Geschichte«, sagte Bayaz, »aber wir gehen.«
    »Das müssen Sie wohl selbst am besten wissen.« Der alte Mann wandte sich ab und schlurfte über den heruntergekommenen Hof. Über eine schmale Treppe gingen sie, deren Stufen in der Mitte ausgetreten waren, hinauf zu einem Tunnel, der durch die hohe Mauer des Agrionts führte, und weiter bis zu einem schmalen Tor in der Dunkelheit.
    Logen bekam ein seltsames Gefühl von Beklemmung, als die Riegel zurückgeschoben wurden. Er bewegte die Schultern und versuchte es abzuschütteln, und der Wächter grinste ihn an. »Sie fühlen es schon, nicht wahr?«
    »Was denn?«
    »Den Atem des Schöpfers, so nennen sie es.« Er gab den Türen einen winzigen Schubs. Sie schwangen gleichzeitig auf, und Licht durchflutete die Dunkelheit. »Den Atem des Schöpfers.«
     
    Glokta schlich über die Brücke, die Zähne fest auf das Zahnfleisch gepresst und sich geradezu schmerzhaft der riesigen Leere unter seinen Füßen bewusst. Es war ein einziger, zart geschwungener Bogen, der in größer Höhe von der Mauer des Agrionts zum Tor des Hauses des Schöpfers führte. Oft schon hatte er ihn von unten bewundert, wenn er sich in der Stadt auf der anderen Seite des Sees befand, und hatte sich gefragt, wie er wohl die ganzen Jahre überstanden hatte. Ein überwältigendes, bemerkenswertes, wunderschönes Bauwerk.
Jetzt erscheint es gar nicht mehr so wunderschön.
Kaum breiter als ein flach am Boden liegender Mann, viel zu schmal, um sich darauf sicher zu fühlen, und in fürchterlicher Höhe über dem Wasser unten. Noch schlimmer war, dass es kein Geländer gab. Nicht einmal einen hölzernen Handlauf.
Und die Brise weht heute doch ziemlich frisch.
    Luthar und Neunfinger schienen deswegen ebenso beunruhigt.
Und die können noch ohne Schmerzen und ohne Einschränkungen über ihre beiden Beine verfügen.
Nur Bayaz ging die Strecke ohne sichtbare Besorgnis, so selbstbewusst, als wandelten seine Füße auf einer Landstraße.
    Sie gingen natürlich stets im Schatten des Hauses des Schöpfers. Je näher sie kamen, desto riesenhafter erschien es ihnen; seine niedrigste Brustwehr überragte die Mauer des Agrionts um ein großes Stück. Ein finsterer schwarzer Berg, der steil aus dem See unten aufstieg und die Sonne verdunkelte. Ein Ding aus einer anderen Zeit, in einem anderen Maßstab erbaut.
    Glokta blickte zurück zu dem Tor hinter ihm. Hatte er da gerade einen kurzen Blick auf etwas erhascht, das sich zwischen den Zinnen der Agriontmauer bewegte?
Ein Praktikal, der uns beobachtet?
Sie würden mitbekommen, wie der Alte daran scheiterte, die Tür zu öffnen. Sie würden darauf warten, bis sie ihn sich auf dem Rückweg schnappen konnten.
Aber bis dahin bin ich hilflos.
Es war kein beruhigender Gedanke.
    Und Glokta brauchte irgendetwas, um sich zu beruhigen. Je weiter er über die Brücke schlurfte, desto mehr schwoll nagende Furcht in ihm an. Es war nicht nur die Höhe, die seltsame Gesellschaft oder der wuchtige Turm, der ihn überragte. Eine Urangst ohne Grund. Der animalische Schrecken eines Albtraums. Mit jedem schleppenden Schritt wuchs dieses Gefühl. Er konnte die Tür nun sehen, ein dunkles Metallquadrat, etwas zurückgesetzt in den glatten Steinen des Turms. Ein kreisrunder Schriftzug war in seiner Mitte eingraviert. Aus irgendeinem Grund erregten die Buchstaben bei Glokta so viel Übelkeit, dass er sich am liebsten übergeben hätte, aber er zwang sich zum weitergehen. Zwei Kreise: große Buchstaben und kleine Buchstaben, eine spinnenartige Schrift, die er nicht erkannte. Ihm drehte sich der Magen um. Viele Kreise: Buchstaben und Linien, viel zu detailliert, als dass er alles hätte erfassen können. Sie verschwammen vor seinen brennenden, tränenden Augen. Glokta konnte nicht weitergehen. Er stand da, auf seinen Stock gestützt, und kämpfte mit jeder Faser seines Willens gegen das Bedürfnis, auf die Knie zu sinken, sich umzudrehen und fortzukriechen.
    Neunfinger ging es nicht viel besser, er atmete hart durch die Nase, und äußerster Schrecken und Ekel standen auf seinem Gesicht geschrieben. Luthar war in einer vergleichsweise noch schlimmeren Verfassung: die Zähne zusammengebissen, kalkweiß und

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