Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
war ihr Sohn, Julian. Als er auf seinem schwarzen Hengst am Rande des Platzes auftauchte, war sie vor Stolz fast geplatzt. Wie gut er in seiner Rüstung ausgesehen hatte und wie erwachsen er doch war! Emerald war sich sicher, dass er ein guter Imperator sein würde – vielleicht, nein, mit Sicherheit ein besserer als sein Vater. Es schien erst Tage her, als er bloß in Windeln gekleidet durch die Halle der Könige getapst war oder als er Malik stets die Krücken versucht hatte wegzunehmen.
Über Emeralds Miene strich ein Schatten, als sie an ihren makelbefleckten Sohn dachte. Ob er wohl von seinem Turm aus zusah? Doch ehe sie in traurigen Gedanken über ihren verlorenen Sohn versank, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf den zweiten Mann, der ihr Herz höher schlagen ließ.
Algier ritt neben ihrem Jungen. Natürlich war sein Gesicht trotz der vielen jubelnden Bürger emotionslos. Er saß aufrecht im Sattel und blickte zur Empore. Noch war er zu weit entfernt, als dass Emerald hätte einschätzen können, wen die grauen Augen nun musterten. Der General sah beeindruckend aus. Seine Rüstung schimmerte in einem tiefen Blauschwarz und der schwarze Mantel, auf dem das Wappen der Stadt eingestickt war, flatterte im kalten Wind. Sein Pferd war ein wenig nervöser als das des Kronprinzen und tänzelte stets einige Tritte voraus. Doch Algier schien sein Tier gut unter Kontrolle zu haben.
Es hat eben genauso viel Temperament wie sein Herr.
Während der letzte Satz der korintischen Kriegssinfonie erklang, näherten sich die zwei Männer der Empore. Julian grinste nun über das ganze Gesicht und winkte ihr und seinen Geschwistern sogar kurz zu. Algier verbeugte sich im Sattel und gesellte sich dann mit seinem flachsfarbenen Pferd zum Kronprinzen. Sie sahen von der Empore weg in den offenen Himmel. So weit vom Rande des Platzes entfernt konnte man das Meer nur noch als dünnen Streifen am Horizont erkennen. Emerald setzte sich wieder zurück auf ihren Stuhl. Sie wusste, dass nun eine Überraschung folgen würde. Ihr Gatte hatte gestrahlt wie ein kleines Kind, welches bald Geburtstag hatte, als er sie erwähnt hatte. Doch seine Ehefrau hatte das Gefühl, dass es sich dabei bloß um irgendwelche neuen Kriegsmaschinen handelte, deren schrecklichen Nutzen sie sich sicherlich nicht vorstellen wollte und denen gegenüber sie auch keine Wertschätzung verspüren würde. Die Kapelle beendete donnernd den Satz und Stille legte sich über den Platz. Die versammelten Gäste wussten alle, dass nun etwas Besonderes passieren würde. Dem gewöhnlichen Volk war der Zugang zu diesem Ort verwehrt worden. Wie Thanatos ihr erklärt hatte, würde das Wort im Volk sowieso schnell die Runde machen. Ihm ging es jedoch darum, jeden wichtigen König, Adeligen und Würdenträger über seine neuen Errungenschaften in Kenntnis zu setzen.
Sie musste sich eine Weile gedulden, doch schließlich ertönte ein Knall hinter ihrem Rücken. Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie wandte sich um, doch da die Empore eine hölzerne Wand besaß, konnte sie nicht sehen, was den Knall genau verursacht hatte. Ihr Herz flatterte ein wenig und sie sah Thanatos, der sie anstrahlte, mit einem strafenden Blick an. Wollte er sie zu Tode erschrecken?
Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel lenkte sie von ihrem Gatten ab. Links und auch rechts, wie sie sich vergewisserte, traten Menschen aus den schmalen Gassen, die sich zwischen den verschiedenen Emporenblöcken gebildet hatten, hervor. Sie waren in stillose, schwarze Roben gehüllt und hatten auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit den Priestern des Totentempels. Doch da sie eindeutig auch Frauen unter den Personen ausmachen konnte, die sich nun auf dem Platz versammelten – es mussten ungefähr hundert sein – konnte es sich bei der Gruppe nicht um Priester handeln, da im korintischen Totenkult keine Frauen als Geistliche geduldet wurden.
Die Gestalten formierten sich auf dem Platz zu zwei Reihen. Sie blinzelte, weil der kalte Wind ihr in den Augen brannte. Als sie wieder klar sehen konnte, befand sich plötzlich ein Mann vor den Schwarzgewandeten. Die Gattin des Hochkönigs war sich vollkommen sicher, dass er noch vor einem Augenblick nicht dort gestanden hatte.
Aber das kann nicht sein.
Das Spektakel begann, bevor sie sich mit der Frage beschäftigen konnte, wie es der Mann geschafft hatte, aus dem Nichts heraus zu erscheinen.
Die Gruppe teilte sich auf. Die eine Hälfte zog sich ein wenig zurück, die andere stellte sich so
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