Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Ende ihres Zuges. Es schneite so heftig, dass er Rock, der zuvorderst ging, nicht mehr sehen konnte. Eigentlich hätten sie sich nach einem geeigneten Rastplatz umsehen müssen, denn die Nacht brach herein. Als Queen, die vor ihm ging, plötzlich ausscherte, dachte Shade zuerst an nichts Böses. Als sich ihre Gestalt im Schneewirbel allmählich verlor, rief Shade laut ihren Namen. Ash, die nun die Zweitletzte in der Reihe war, drehte sich fragend zu ihm um. Queen aber reagierte nicht auf das Rufen.
Sorge stieg in Shade auf. Rasch überwand er die Distanz, die zwischen ihm und Ash lag und drückte ihr die Zügel seiner grauen Stute in die Hand. „Alarmiere die anderen. Ich hole sie zurück!“
Es war schwierig, Queens Spur durch das Schneegestöber zu folgen.
Verdammt! Was hat sie vor?
Er ging weiter und ließ seine Fackel fallen, weil er im Dunkeln besser sah. Shade war so darauf konzentriert, einen Umriss von Queen in der Dunkelheit zu erhaschen, dass er den Abgrund, der sich vor ihm auftat, nicht bemerkte, bis er den Halt verlor und fiel. Zu seinem Glück flog er nicht allzu weit. Trotzdem stieß er einen überraschten Schrei aus, der abrupt endete, als er auf seinem Hosenboden landete. Er hatte kaum Zeit, sich der Schmerzen bewusst zu werden. Queen lag bäuchlings ein Stück von ihm entfernt im Schnee. Für einen quälend langen Moment glaubte Shade, dass sie sich verletzt hatte. Dann sah er genauer hin und realisierte, dass sie vom Vorsprung, auf dem sie gelandet waren, hinunterspähte.
„Queen, was tust du hier? Warum bist du weggegangen? Die anderen machen sich Sorgen!“
Er ging zu ihr, kniete sich hin und berührte sie vorsichtig an der Schulter, als plötzlich ihr linker Arm hervorschnellte und ihn zu Boden riss. Ihr Griff war stark. Auch als Shade bereits im Schnee neben ihr lag, ließ sie ihn nicht los.
„Queen, was ...“
„Siehst du sie?“, unterbrach sie ihn wispernd. Sie deutete mit ihrer rechten Hand in das Schneegestöber, das vor ihnen tobte. Shade konnte nichts erkennen und so schüttelte er verwirrt den Kopf.
„Hier ist nichts, Queen. Lass uns zurückkehren. Es ist saukalt hier. Wo hast du deinen Mantel gelassen?“ Er befreite sich von ihrem Griff und richtete sich halb auf, um den seinen auszuziehen. „Hier, nimm wenigstens meinen. Du erkältest dich noch!“ Er war nicht einmal ganz aus seinem rechten Ärmel geschlüpft, als Queen ihn erneut an der Hand packte, sich vom Vorsprung abstieß und ihn in den Abgrund riss.
„Ahhhhh!“
Er widerstand der Versuchung, Queens Hand loszulassen, und befreite stattdessen hektisch seinen Arm, der immer noch im Mantelärmel feststeckte. Er schaffte es schließlich, doch freuen konnte er sich nicht darüber. Die beiden fielen wie zwei Steine durch die Luft und Shade musste kein Gelehrter sein, um zu wissen, dass sie einen solchen Sturz nicht überleben konnten.
Wut entflammte in ihm. Sein Gesicht war inzwischen taub vor Kälte und so war er nicht einmal mehr fähig, laut zu fluchen.
In diesem verzweifelten Moment kam er zum ersten Mal dazu, Zeuge von Queens Kräften zu werden. Zwei Flügel brachen aus ihrem Rücken. Sie hatten die gleiche Farbe wie ihre Augen: flüssiges Gold. Das leuchtende Gelborange schmerzte in Shades empfindlichen Augen. Trotzdem schaute er nicht weg. Fasziniert stellte er fest, dass die Flügel keine feste Form aufwiesen. An der Stelle, an welcher die Flügel aus dem Rücken brachen – ungefähr auf der Höhe der Schulterblätter – floss in pulsartigen Abständen die goldene Flüssigkeit heraus. Durch eine Art Ader wurde sie die ganze Länge der Flügel bis zu ihrem äußersten Punkt gepumpt. Kleinere Adern führten tief in die Flügel hinein, wobei sie sich immer mehr verästelten. Das große Hauptgefäß musste so etwas wie Poren besitzen, denn die Flüssigkeit floss zäh an der Flügelmembran hinunter und darüber hinaus, wobei die Tropfen, die sich davon lösten, noch kurz in der Luft aufleuchteten und sich dann verflüchtigten.
Die Flügel, die einen Durchmesser von etwa sechs Fuß besaßen, fingen ihren Sturz rasch auf. Die Luft rauschte nicht mehr so schnell an den beiden Ringmitgliedern vorbei und der Gedanke, dass dies doch nicht sein Ende sein würde, sondern Queen ihnen beiden eine sichere Landung bescheren würde, durchzuckte Shades Gehirn.
Aber bevor er sich einigermaßen entspannen konnte, fielen ihm die seltsamen Geräusche auf, die durch den Sturm an seine Ohren drangen. Im ersten Moment dachte
Weitere Kostenlose Bücher