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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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so doch besonders unparteiisch, rechtschaffen, redlich vor. Sie sind Vertreter der »reinen Wissenschaft«, Vertreter einer angeblich wertneutralen, angeblich indifferenten Haltung. Sie verwerfen jede Standortbezogenheit, jede subjektive Anteilnahme als unszientifisch, als nahezu blasphemischen Verstoß gegen das angebetete Objektivitätspostulat, das ihnen heilige »sine ira et studio«, das, wie Heinrich von Treitschke höhnt, »niemand weniger befolgt hat als sein Urheber«. Ist ja alles, »was man reine Wissenschaft nennt, nämlich das Register von Systemen und Hypothesen, von Erklärungen und Anschauungen, all das ist ausgefüllt, ist ausgestopft, ist vollgepfropft mit den ältesten, sinnlichen und übersinnlichen Mythologemen«, was, eher ausnahmsweise treffend, Charles Péguy notiert, selbstverständlich von seiner katholischen Position aus. 52
    Nun kann das Vortäuschen wissenschaftstheoretischer Unschuld, das Unterschlagen weltanschaulicher Prämissen historischer Präsentationen, manches verdecken, fachbedingte Trägheit etwa, Blickverengung, vor allem aber eine gerade in Gelehrtenkreisen, im »kleinen Museum der Auserwählten« (von Sybel), grassierende Timidität, einen ethischen Relativismus und Eskapismus, die feige Flucht vor klarer weltanschaulicher Entscheidung – die ja doch Entscheidung ist, aber eine der Verantwortungslosigkeit im Namen wissenschaftlicher Verantwortung! Denn eine Wissenschaft, die nicht wertet, unterstützt, ob sie will oder nicht, den Status quo, sie stützt die Herrschenden und schadet den Beherrschten. Sie ist nur Scheinobjektivismus und praktisch gewöhnlich nichts als eine Rücksichtnahme auf die eigne Ruhe, Sicherheit, die eigne Karriere. Ich bestreite keinesfalls, daß eine wertende Geschichtsbetrachtung auch aus wissenschaftlicher Überzeugung abgelehnt, verworfen werden kann. Doch ist gerade der Widerwille des Historikers, die Geschichte zu deuten, seine Angst, zu bekennen, was tatsächlich vor sich geht, nur »ein weiteres Beispiel des allbekannten ›trahison des clercs‹, der Weigerung der Spezialisten, ihrem Handeln entsprechend zu leben« (Barraclough). 53
    Gewiß, es gibt nicht nur eine oder zwei Methoden, Geschichte zu treiben. Es gibt eine große Methodenvielfalt, wie besonders die amerikanische Geschichtsschreibung zeigt, wobei keine Methode das Recht hat auf einen Alleinvertretungsanspruch. Doch wenn es auch viele diverse Formen von Wissen und Wissenschaft gibt, hier geht es nur um zwei, um die Wissenschaft, die Wissenschaft um ihrer selbst willen betreibt, für die Wissenschaft das Letzte, Höchste, eine Art Religion ist, und die auch, wie diese, über Leichen gehen kann und geht; und um jene Wissenschaft, für die sie selbst nichts Letztes, Höchstes ist, die als Dienerin fungiert, im Dienst des Menschen steht, der Welt, des Lebens, die insbesondere mit der Geschichtsschreibung die »Pflicht politischer Pädagogik« verbindet, ein Wort Theodor Mommsens, der Geschichte geradezu »ein Totengericht« nennt und, ihre »nackte Gemeinheit« im Blick, ihre »entsetzlichen Barbareien«, warnt »vor dem kindischen Glauben, als vermöge die Zivilisation aus der Menschennatur die Bestialität auszuwurzeln« 54 .
    Ihre bekanntesten Ausprägungen fanden diese beiden Wissenschaftsbegriffe im 19. Jahrhundert, im Wissenschaftsoptimismus der Natur- wie der Geschichtswissenschaft, im Positivismus und Objektivismus, und im radikalen Wissenschaftspessimismus Nietzsches. Er erkannte die Naturwissenschaft seiner Zeit als »etwas Furchtbares und Gefährliches«, als einen Ausdruck jener »verhängnisvollsten Dummheit«, woran wir vielleicht »einst zugrunde gehen«. Ähnlich bewertet er die herrschende Geschichtswissenschaft und fordert eine Historie »zum Zwecke des Lebens«, eine Historie, die »Vorbilder« bietet, »Lehrer, Tröster«, besonders aber eine »kritische Historie«, die das Vergangene »vor Gericht zieht, peinlich inquiriert und endlich verurteilt«, denn »jede Vergangenheit ... ist wert, verurteilt zu werden« 55 .
    Auf der andren Seite steht etwa Max Weber, der Vertreter einer generellen Trennung von Wissenschaft und Werturteil, für den Wissenschaft lediglich empirische Forschung, analytische Bestandsaufnahme ist und grundsätzlich nichts mit Wert, Sinn, Sollen zu tun hat; auch wenn Weber, zwischen Werturteil und (dem neukantianischen Wort) Wertbeziehung unterscheidend, letztere in der Wissenschaft akzeptiert und wissenschaftliche Erkenntnisse in den Dienst

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