Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
gekrönter und gesalbter Häupter nebst ihrer Wirkung auf das christliche Abendland vom Beginn des Investiturstreits bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Mit einem Anhang über Digestionen, Digestiva und Digestoria sämtlicher hl. Päpste und Gegenpäpste dieses Zeitraums.«
Vielleicht klang das Vorstehende manchmal für manchen nicht nur etwas theoretisch – doch Geschichtsschreibung steckt nun einmal voller Theorie, jede! –, sondern auch arg skeptisch. Doch zur Skepsis besteht Grund, allergrößter sogar – wenn sie freilich nicht so weit führen sollte, jetzt zu resignieren und gar nichts mehr zu glauben.
Auch muß der – zu Recht – schwindende Glaube an die Möglichkeit historischer Objektivität keinesfalls »das wissenschaftliche Ethos des Historikers« unterminieren und zum »Denkverfall« führen (Junker/Reisinger). 59 Viel eher untergräbt gerade das Bestehen auf Objektivität dieses Ethos, weil solch Insistieren unlauter, einzig nämlich dadurch motiviert ist, »das Fundament der Geschichtswissenschaft« zu retten, das heißt ihren nicht zufällig immer wieder angefochtenen Wissenschaftscharakter, was mich kaum interessiert. Mir ist Wahrheit oder, vorsichtiger gesagt, Wahrscheinlichkeit wichtiger als jede Wissenschaft, die im Namen der Wissenschaft sich gegen die Wahrheit vergeht. Und grundsätzlich ziehe ich auch das Leben, jedes Leben, der Wissenschaft vor, zumal einer Wissenschaft, die das Leben bedroht, vielleicht alles Leben überhaupt. Der Einwand, das sei nicht »die Wissenschaft«, seien einzelne Wissenschaftler (immerhin sehr viele, wenn nicht die meisten), trifft so wenig wie etwa die Feststellung, die Verfehlungen der Christenheit seien nicht solche des Christentums.
Natürlich verfechte ich keinen reinen Subjektivismus, den es gar nicht gibt, so wenig wie reine Objektivität. Natürlich leugne ich nicht nutzreiche Wertskalen, kontrollierbare Tatsachenbezüge, mitteilbare und überprüfbare Erfahrungen, intersubjektives Wissen und intersubjektive Verbindlichkeiten. Aber ich bestreite die intersubjektive Interpretation! Und der Geschichtsphilosoph Benedetto Croce wußte, warum er die subjektiven Urteile in der Geschichtsbetrachtung zuließ, aus »sehr triftigem Grunde«, weil man sie nämlich »auf keinerlei Weise auszuschließen vermag« 60 .
Kann man somit in der Geschichte auch nicht mit der Stringenz logischer Schlüsse schließen, heißt das weder, daß man gar nicht schließen soll, noch, daß man falsch schließen muß. Mag auch vieles oder, nach Meinung der radikalsten Skeptiker, alles problematisch sein, kann man doch einem historischen Sachverhalt näher kommen oder nicht, lassen sich doch für eine bestimmte Sehweise unbezweifelbar bessere und schlechtere Gründe vorbringen, solche, die mehr, weniger, gar nicht zutreffen. Oder mit William O. Aydelotte negativ formuliert: »Die Feststellung, alle Aussagen seien unsicher, bedeutet nicht, daß sie alle gleich unsicher sind.« 61
Davon gehe ich ebenso aus wie von der Überzeugung, daß man, bei aller Komplexität, allem Chaos und Wirrwarr der Geschichte, allgemeine Aussagen treffen, daß man das Wesentliche, Typische, Entscheidende, herausstellen, kurz, daß man historisch generalisieren kann; was man, als angeblich zu spekulativ, nicht beweisbar, noch häufig negiert oder bagatellisiert, obwohl Historiker, die die Geschichte nicht bloß mit musealem Pläsier betrachten, ohne Generalisierung nicht auskommen können, wollen sie überhaupt etwas sagen, was der Mitteilung wert ist. Selbstverständlich dürfen sie nicht weiter gehen, als es ihre Unterlagen erlauben. 62
Um diese Verallgemeinerungen aber möglichst schlüssig zu machen, ist eine meiner Hauptmethoden die der Quantifizierung, der Zusammenstellung vergleichbarer Fälle, Varianten, Daten, soweit sie relevant, repräsentativ sind. Geschichte schreiben heißt die Hauptzüge herausstellen. Ich betreibe also die Summierung des Informationsmaterials. Beides, Generalisierung und Quantifizierung, gehört zusammen.
Würde ich die ja durchaus nicht neue These vom Verbrechenscharakter des Christentums bloß mit einigen Stichproben stützen, wäre sie ohne Überzeugungskraft. Bei einem mehrbändigen Werk aber läßt sich nicht mehr von vereinzelten, nicht beweiskräftigen Beispielen sprechen. Dabei ist für mich, mit Cicero, »das erste Gesetz der Geschichtsschreibung: daß man nicht wage, etwas Falsches zu sagen«. Fährt Cicero freilich fort: »sodann: daß man wage,
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