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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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verzeiht ihm Karl auch jetzt, versichert ihn seiner Huld und nimmt ihn, wie es heißt, »wieder auf in seine Liebe, da er in Zukunft sicher sei durch Gottes Erbarmung«.
    Auf die Erbarmung Karls mußte der Herzog verzichten. Um dessen Land endlich kassieren zu können, hatte der König ja nicht nur Tassilo, sondern auch seine Gattin Liutperga, die Tochter des Langobardenkönigs Desiderius, hinter Klostermauern stecken lassen, ebenso ihre Söhne und ihre Töchter; Rotrud in Soissons und Gotani in Chelles, hier beaufsichtigt von Karls eigener Schwester. Tassilos ältesten Sohn Theodo brachte man nach St. Maximin in Trier, das Klostergefängnis ihres zweiten Sohnes Theopert ist nicht bekannt.
    Tassilo starb im Kloster Laurisham (Lorsch) am Rhein; wann, weiß man nicht. Auch König Desiderius war ja durch Karl in einem Klostergefängnis verendet. Und auch Hunald, der Vater des Herzogs Waifar von Aquitanien (S. 373), endete wahrscheinlich dort, nachdem er sich, nach bereits 25jährigem Klosteraufenthalt, 768 noch einmal zu einem Aufstand hatte hinreißen lassen. Bayern wurde fränkische Provinz, wo erst »Statthalter«, dann Unterkönige regierten. Und die bayerische Kirche, Tassilos wichtigstes, von ihm reich ausgestattetes Regierungsinstrument, wechselte zu Karl über. 34
    Mit Tassilos III. Absetzung und Gefangennahme zu Ingelheim 788 war Bayern fränkische Provinz und das Awarenreich zum unmittelbaren Nachbarn der Franken geworden.

Ersichtlich ein heiliger Krieg

    Unter dem Druck der Turkvölker (eigentlich Türkvölker, Türken) waren die Awaren, ein zu den Hunnen gehörendes, vermutlich protomongolisches Steppen-und Reitervolk aus Zentralasien, nach Westen gestürmt. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts besetzten sie die Theißebene und den ganzen mittleren Donauraum für mehr als zweihundert Jahre. Bereits um 550 standen sie auch am Ostrand Germaniens und wurden im nächsten Jahrzehnt, als sie unter dem Khagan Baian ein energisch regiertes Großreich zwischen den Ostalpen und dem Schwarzen Meer zu gründen begannen, von dem Merowinger Sigibert I. bekämpft. 561 siegte er zwar über sie an der mittleren Elbe, mußte sich aber fünf Jahre später einen Tributfrieden erkaufen.
    Mit breiten Massen slawischer Hilfstruppen attackierten sie weiter den Balkan. Ein Teil der um die Donau ansässigen Germanen und Sarmaten vermischten sich mit ihnen. 506 vernichteten sie, verbündet mit den Langobarden, die ostgermanischen Gepiden (S. 105). Und als jene 568 nach Italien zogen, drangen in die verlassenen pannonisch-norischen Landstriche Awaren und Slawen ein, die damit zu östlichen Nachbarn der Bayern wurden. Doch tendierte ihre Stoßrichtung vorerst noch nach Süden, vor allem nach Konstantinopel, dessen Bundesgenossen sie einst gewesen, das sie aber 626 mit Slawen, Gepiden, Bulgaren und anderen Hilfsvölkern von der europäischen Seite her einschlossen, während es die Perser an der asiatischen abriegelten. Die kleine slawische Flotte wurde vernichtet, und das Landheer scheiterte an den unbezwingbaren Mauern. Als Hunger und Seuchen die Awaren zum Rückzug zwangen, worauf auch die Perser abzogen, war das Ansehen des Khagans bei seinen Untertanen und Verbündeten erschüttert, wurde seine Herrschaft durch die slawischen Hilfsvölker beseitigt: bei den Sudetenslawen, den Bulgaren und in Dalmatien. Zwar erstarkten die Awaren noch einmal um 750, dominierten sie die Slawen ihres Machtbereichs durch neun befestigte, von einem ringförmigen Wall umgebene Lager, die sogenannten »Awarenringe«: Stützpunkte, in denen sich Lebensmittel, Kriegsbeute und unermeßliche Schätze häuften, wobei man das Zentrum awarischer Macht östlich des Wiener Walds vermutet. Doch dann ging Karl gegen sie vor und gab ihnen den Todesstoß. 35
    Nachdem er Bayern an sich gerissen – von 788 an zählte man in den bayrischen Urkunden die Jahre »seit König Karl Baiern erwarb« –, wurde es noch mehr in den Dienst der Awaren- und Slawenmission gestellt, wurden Krieg und Predigt im Südosten erst recht fortgesetzt, wobei die Annales regni Francorum als Hauptgrund für die Eröffnung der Feindseligkeiten die Christenfeindschaft der Awaren anführen, die angebliche allzu große und unerträgliche Übeltat, »die die Awaren gegen die heilige Kirche und das christliche Volk begangen hatten, weil man durch Abgesandte keine Genugtuung erlangen konnte ...« In Wirklichkeit wollte der König, ein notorischer Eroberer, expandieren, wollte er offensichtlich

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