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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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bedroht, daß der Papst in Italien selbst wohl genügend freie Hand für eigene politische Pläne zu haben glaubte.
    Karl jedenfalls, der sein Reich, trotz der grassierenden Not, unersättlich schröpfte, die dortige Kirche aber generös beschenkte, schien seine Schätze auch im Süden verschleudern, schien das Imperium förmlich erkaufen zu wollen. So konnte er Karlmann, dessen Schwert er, wie gewiß jedes, fürchtete – »denn er ist so furchtsam wie ein Hase«, durch »Gold und Silber und kostbare Edelsteine in unendlicher Menge« zum Abzug bewegen. Ebenfalls bestach er »den ganzen Senat des römischen Volkes mit Gold wie Jugurtha und gewann ihn für sich« (Annales Fuldenses).
    Und selbst Papst Johann, ohnedies kein Freund der ostfränkischen Karolinger, mögen Karls gewaltige Geldsummen nicht wenig beeindruckt haben.
    Denn natürlich hatte dieser auch und gerade »dem heiligen Petrus viele und kostbare Geschenke gemacht«. Und so erklärte dessen »Nachfolger«, daß Karl den Vater, sogar den Großvater übertreffe; behauptete, Gott habe seine Kaiserwahl schon »vor Erschaffung der Welt« vorausbestimmt; feierte ihn in lächerlicher Speichelleckerei als das heilbringende Gestirn, welches der Menschheit aufgegangen, als den Langersehnten, den »Retter der Welt«, den Mann Gottes, dem Engel den Weg gewiesen durch unwegsame Gegenden, Sümpfe, durch unbekannte Furten, reißende Ströme etc. Und krönte Karl den Kahlen an Weihnachten 875 in der Peterskirche pompös zum Kaiser – genau 75 Jahre nach der Krönung seines Großvaters Karl, während er alle, Bischöfe wie Laien, mit Ausschluß, Absetzung, Verfluchung bedrohte, die Ludwig den Deutschen unterstützen würden.
    Kaum genug ist dabei der Wandel zu bedenken, die gänzliche Verkehrung der Geschichte: beanspruchten nämlich einst die Kaiser kraft Erbrechts die Krone, so beanspruchte nun das Papsttum, allein das Papsttum, diese Krone nach Gutdünken zu verleihen!
    Zugleich machte Rom ein weiteres großes Geschäft. Nicht nur gab Karl die 824 durch Lothar I. festgelegten Rechte des Kaisers im Kirchenstaat preis (S. 66); nicht nur verzichtete er auf die Einkünfte aus den drei kaiserlichen Klöstern S. Salvatore, S. Maria in Farfa und S. Andrea auf dem Soracte; nicht nur erneuerte er alle Schenkungen seiner Vorfahren von Pippin bis Ludwig II. an die römische Kirche. Sondern der Papst bekam auch beträchtliche Gebietserweiterungen im Beneventischen und bei Neapel, die Landschaften Samnium und Kalabrien, die toskanischen Grenzbefestigungen Chiusi und Arezzo sowie vor allem die Oberhoheit über die Herzogtümer Spoleto und Benevent. Dies trug ihm freilich alsbald die Feindschaft zweier benachbarter Fürsten ein, des Herzogs Adalbert von Toskana und besonders des Herzogs Lambert von Spoleto, die anfangs 878 in Rom eindrangen und dort vier Wochen lang übel hausten, wie denn noch die späteren Päpste dauernd unter der Rache des Spoletiners zu leiden hatten. Dazu bedrängten die Araber den Kirchenstaat mehr denn je.
    So folgten einerseits unentwegt hohepriesterliche Hilferufe, Notschreie über Landverheerungen und Rechtverletzungen, deren Heiligkeit sich allerdings selbst schuldig machte, folgten Klagen über Sarazeneneinfälle und Raubzüge durch Christen (den Herzog von Spoleto!). Andererseits wurde dem »fußfällig« angeflehten Kaiser von Papst Johann, der »keinen Schlaf für die Augen, keine Speise für den Mund« mehr fand, im Falle seiner Unterstützung wieder einmal großzügig »die Hallen des Himmelreichs« in Aussicht gestellt »und die Weiden des ewigen Lebens unter den Engeln«. 6
    Johann VIII. arbeitete an der Zerstörung des Kaisertums und des italienischen Königtums, um den eignen Stuhl erhöhen, Bischöfe und Fürsten in gleicher Weise beherrschen, Italien politisch führen zu können. »Derjenige, der von uns zur Kaiserwürde erhoben werden soll, muß auch von uns zuerst und hauptsächlich von uns berufen und erwählt werden«, erklärte er erstaunlich kühn und lockte mit dieser Krone, manchmal gleichzeitig, fast alle nur möglichen Kandidaten, Boso von Vienne, den König der Provence, die Söhne Ludwigs des Deutschen, Karlmann und Ludwig III., vor allem aber den Westfranken Ludwig (II.) den Stammler, den Sohn Karls des Kahlen. Und jedem versprach er jede Erhöhung, Ehre und Heil im Diesseits und Jenseits, alle Königreiche. Und jedem beteuerte er, der einzige Kandidat zu sein, und behauptete, bei keinem sonst Hilfe und Beistand gesucht zu

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