Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
haben! Und als sich schließlich zeigte, daß er von den Franken nicht viel erwarten konnte, wandte er sich noch an Byzanz.
Nachdem Karl Ende 875 in Rom zum Kaiser gekrönt worden war, fiel ihm auf der Rückkehr auch noch die italienische Königskrone zu. Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf. Eine Versammlung von Magnaten in Pavia trug ihm die weitere Würde an, vor allem eine Gruppe zahlreicher Bischöfe, an ihrer Spitze Erzbischof Anspert von Mailand, der ihm als erster Treue schwor, wohlverklausuliert, wie man fand. Einstimmig machten die Großen im Februar Karl zu ihrem Beschützer, Herrn und König, hatte ihn doch, hieß es, die göttliche Gnade durch Vermittlung der Apostelfürsten und des Papstes zum Kaiser erhoben.
Es kam zu gegenseitigen Eidschwüren und auch hier wieder zu Zugeständnissen des Kaisers an den Klerus. Karl empfahl, Papst Johann zu stärken, die römische Kirche zu ehren, ihren Landbesitz zu schützen, und nicht zuletzt übertrug er den Prälaten die ständige missatische Gewalt. 7
Ludwig der Deutsche stirbt: Abt Reginos Nachruf
Ludwig der Deutsche dachte indes nicht daran, Karl Italien allein zu überlassen. Und als päpstliche Legaten die zwischen den Brüdern ausgebrochenen »Mißhelligkeiten« untersuchen und »nach kanonischem Recht und weltlichem Gesetz« entscheiden wollten, empfing sie Ludwig erst gar nicht. Statt dessen schickte er eigene Gesandte, den Kölner Erzbischof Willibert mit zwei Grafen, zu Kaiser Karl. Sie trafen diesen in der Pfalz Ponthion, zusammen mit den von Ludwig abgewiesenen Bischöfen Johann von Arezzo und Johann von Toskanella samt einer stark besuchten, fast drei Wochen tagenden Synode von Geistlichen und vielen weltlichen Großen, der sie erst am 4. Juli im Beisein Karls die Forderung ihres Königs präsentieren konnten, »einen Teil vom Reich des Kaisers Ludwig, des Sohnes ihres Bruders Lothar« zu bekommen, »wie es ihm nach Erbrecht (ex hereditate) zustehe und eidlich zugesichert worden sei«.
Darauf antworteten die römischen Legaten mit der Verlesung zweier Briefe ihres Herrn an die ostfränkischen Bischöfe und Grafen von 13. Februar, worin der Papst »den Bayernkönig« ungewöhnlich beschimpfte, mit Kain verglich, ihm Neid gegen den Bruder unterstellte, Friedensbruch, Treuelosigkeit, pausenlose Hetzerei. In zwei Erlassen vom selben Tag an die westfränkischen Bischöfe und Großen rief er die zu Ludwig Übergelaufenen unter Androhung des Bannes zur Wiedergutmachung auf, während er die anderen lobte für ihre Treue »härter als Diamant«. 8
Im selben Jahr starb der seit längerem kränkelnde Ludwig der Deutsche am 28. August über siebzigjährig in der Pfalz zu Frankfurt, übrigens inmitten der Vorbereitungen zu einem Krieg gegen seinen Bruder Karl. Schon am nächsten Tag wurde Ludwig im nahen Kloster Lorsch beigesetzt, wo sein Sarkophag noch im frühen 17. Jahrhundert in der Kirchengruft stand, seitdem aber spurlos verschwunden ist.
In einem Nachruf auf den König schreibt Regino von Prüm: »Er war ein sehr christlicher Fürst, von Glauben katholisch, nicht nur in den weltlichen, sondern auch in den kirchlichen Wissenschaften hinlänglich unterrichtet; der eifrigste Vollstrecker dessen, was die Religion, den Frieden, die Gerechtigkeit erforderte. Von Geist war er sehr verschlagen (ingenio callidissimus) und vorsichtig im Rate; bei der Verleihung oder Entziehung öffentlicher Ämter ließ er sich von einem maßvollen Urteil leiten; in den Schlachten war er überaus siegreich und eifriger in der Zurüstung der Waffen als der Gastmähler, da die Werkzeuge des Krieges sein größter Schatz waren ...«
Der berühmte Abt, dem Reinhold Rau »ein ziemliches Verständnis« attestiert »für die Eigengesetzlichkeit der Machtbildung«, schuf hier in nuce einen fast verblüffend vielsagenden katholischen Fürstenspiegel: ein sehr christlicher Fürst und sehr verschlagen, von Glauben katholisch, überaus siegreich, ein Freund der Waffen, die Werkzeuge des Krieges sein größter Schatz, doch auch emsig für den Frieden tätig, kurz: »der eifrigste Vollstrecker dessen, was die Religion ... erforderte ...«
Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der »Erbfeinde« um den Rhein
Karl der Kahle aber – ein ebenfalls bewegender christlicher Zug – wurde bei der Nachricht vom Tode seines Bruders »von übergroßer Fröhlichkeit erfüllt« (Reginonis chronica) und hatte kaum einen anderen Gedanken, als seinen Neffen möglichst viel von ihrem väterlichen
Weitere Kostenlose Bücher