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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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aber zu schwach, um den geschlagenen Kaiser (den sogar Erzbischof Hinkmar in den westfränkischen Reichsannalen jetzt einen »Räuber« nennt – wie hätte er ihn wohl im Falle seines Sieges genannt!) auf dem eigenen Boden verfolgen zu können.
    Im November teilten die drei ostfränkischen Brüder das Reich gemäß den Verfügungen ihres Vaters und schworen einander Treue. Sie teilten allein kraft des Erbrechts und ohne, wie im Westreich üblich, eine Krönung an sich vornehmen zu lassen. Karlmann, der älteste Sohn Ludwigs des Deutschen, wurde »König in Bayern« mit Pannonien und Karantanien, trat jedoch die Verwaltung des letzteren seinem Sohn Arnulf ab. Ludwig III. der Jüngere, der »König im östlichen Francien«, bekam Ostfranken, Thüringen, Sachsen und Friesland samt den tributpflichtigen Grenzstämmen. Karl III. der Dicke, der Jüngste, erhielt zunächst Alemannien und Churrätien und herrschte nach dem frühen Tod seiner Brüder (880 und 882) auch über deren inzwischen erheblich erweitertes Erbe, wobei ihm bereits 881 die Erneuerung des Kaisertums gelang. 11

Johann umwirbt Karl, dessen »Vorzüge die menschliche Zunge nicht auszusprechen vermag ...«

    Karl der Kahle aber hatte nicht nur gegenüber Ostfranken beträchtlich zurückstecken müssen. Auch bei den Normannen an der Seine und Loire erreichte er nichts. Vielmehr kaufte er sich frei durch Gelder, die er natürlich von den Besitzenden, doch selbst wieder Schröpfer großen Stils, erpreßte. So ließ er eine jeweils genau bezifferte Steuer von jeder herrschaftlichen Hube (ein Wirtschaftsbetrieb im Rahmen frühmittelalterlicher Grundherrschaft) in jenen Gebieten Franciens eintreiben, die er vor Lothars Tod besessen, sowie in Burgund von jeder freien, jeder unfreien Hube. Derart ergatterte der König immerhin fünftausend Pfund Silber, wobei er zur Aufbringung des Tributs selbstverständlich auch Kirchenschätze nahm. Wie Karl – laut Papst Johann durch seine »Tugend« ausgezeichnet, »seine Kämpfe für den Glauben ... sein Bemühen, die Geistlichkeit zu ehren« (vgl. S. 239 f.) – ja auch die nach seinem gescheiterten Raubzug zu ihm geflohenen lotharingischen Kombattanten mit Abteien und Landgütern der Kirche entschädigte.
    Natürlich verspürte der Herrscher keine Lust, den Papst vor den immer aggressiveren Sarazenen zu schützen. Johann freilich wollte Karl nicht vergebens zum Kaiser gekrönt haben. Zwar hatte dieser inzwischen den Kirchenstaat erweitert und auf einige Privilegien verzichtet. Doch Rom, stets unersättlich, wollte mehr, zumal der neue Fürst auch wiederholt mehr versprochen hatte, vor allem eben Hilfe gegen die Araber, was so gar nicht Karls Geschmack war.
    So drängte man nach altbewährter Methode (vgl. bes. IV 381 ff.! 386 ff.!), beschwor die »Heuschreckenschwärme« der muselmanischen Teufel, die alles ausraubten, brandschatzten, in die Gefangenschaft schleppten, beschwor Greuel, die noch gar nicht geschehen, Gefahren, die sich angeblich aber schon abzeichneten, eine her an jagende gewaltige Flotte mit Rom attackierenden Truppen verbänden. Man malte schwarz in schwarz, mahnte Bischöfe und Magnaten, besonders jedoch den Kaiser selbst. Päpstliche Legaten erschienen, ein Hilferuf nach dem anderen erscholl. Die Sarazenen raubten, hieß es, zerstörten die Kirchen, aber die Herzöge Lambert und Wido, von Karl zum Schutz des Kirchenstaates bestimmt, rührten dafür keinen Finger, und auch Graf Boso, als Vizekönig in Italien eingesetzt, bleibe taub. Brief auf Brief folgte, »kniefällig« bat man, die »Christenheit« zu retten, zuerst natürlich das Papsttum, das den kahlen Karl umschmeichelte. »Vortrefflichster aller Cäsaren«, lobte der immer wieder und mehr anreizende Johann, der auch wußte, daß Karls »Weisheit vom Mutterleibe an wuchs«, daß dessen »Vorzüge die menschliche Zunge nicht auszusprechen vermag ...«
    Dabei hatte Karl um diese Zeit etwas getan, was ihn am päpstlichen Hof eigentlich nicht beliebt machen konnte: er hatte seinen Sohn, den Thronfolger Ludwig (II. den Stammler) genötigt, seine Ehefrau Ansgard zu verstoßen, um eine ihm, dem kaiserlichen Vater, genehme Dame zu heiraten. Erwägt man jedoch, wie erbittert Vorgänger Nikolaus I. schließlich Jahr um Jahr gegen Lothars II. Ehehandel stritt, wie sehr er auf der Unauflöslichkeit dieser Ehe bestanden, so erstaunt es, daß Papst Johann jetzt gegen die Zweitehe des westfränkischen Thronerben überhaupt keine Einwände, geschweige

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