Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
unklug in des Kaisers Reich benahm« (Annales Fuldenses), auf den Rat desselben Heinrich nach Gondreville, an den kaiserlichen Hof, läßt ihm durch denselben edlen Grafen die Augen ausstechen und nimmt auch seinen sämtlichen Anhängern die Lehen. Später wird Hugo im Kloster Prüm, wo schon sein Großvater Kaiser Lothar I. als Mönch geendet (S. 140), durch Abt Regino, der all dies berichtet, eigenhändig geschoren und stirbt nach wenigen Jahren, während seine Schwester Gisla, Gottfrieds Witwe, ihr Leben im Nonnenkloster Nivelles bei Namur beschließt. 14
    Ein frommes Geschlecht.
    Das Normannenregiment in Friesland ging seinerzeit zu Ende. Bei Norden wurden sie im Kampf mit den Friesen überwunden »und sehr viele von ihnen getötet«. Und im Todesjahr Gottfrieds berichten wieder die Fuldaer Jahrbücher: »Endlich wüteten die Christen gegen sie mit solchem Blutbad, daß wenige von einer so großen Menge übrig blieben. Dann erstürmten diesselben Friesen ihre Schiffe und fanden soviel Schätze an Gold und Silber nebst mannigfachem Gerät, daß alle vom Niedrigsten bis zum Größten reich wurden.« Der alte Traum der Menschen, auch der Christen: Schätze aus Silber und Gold! Als ginge nicht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr ... Doch wie auch immer: »Die Normannenherrschaft in Friesland endete, ohne faßbare Spuren zu hinterlassen« (Blok). 15
    Nun waren die »Männer des Nordwinds« im Frühmittelalter aber in viele Länder gekommen, auch nach Island und Grönland, nach Spanien, Marokko, Rußland, Byzanz, und weithin hat sie die Kirche bekämpft, unblutig und blutig, durch Annalisten, Autoren, Bischöfe und Päpste. Als die Normannen jedoch, im 11., im 12. Jahrhundert, die besten Reiterheere Europas stellten, die mutigsten Ritter, die modernsten Festungsbauer (sie entwickelten seit Mitte des 11. Jahrhunderts die Burg mit Wall und Graben), als sie in Sizilien auch eine starke Kriegsflotte, in Georg von Antiochia einen der fähigsten Admirale des Mittelalters hatten und militärisch die Führung übernahmen, ging das Papsttum zu ihnen über und sie spielten nicht nur in den Kreuzzügen eine große Rolle. Als »ein kriegsgewohntes Volk«, wie William von Malmesbury meinte, das »kaum ohne Krieg leben« könne, waren sie den Stellvertretern Christi gerade recht. 16
    Unter Karl III. dem Dicken aber verargte man dem Herrscher seinen geringen Kampfgeist nicht nur ihnen gegenüber. Zunehmende Unsicherheit im Innern, alltägliche Wegelagerei, notorischer Raub, jahrlange Sippenfehden, auch und gerade jetzt im ostfränkischen Reich, all dies stärkte nicht das kaiserliche Prestige.

Bischof Liutward von Vercelli – gefeiert und gefeuert

    Dieser Mann, ein Schwabe aus, so unterstellen feindliche Quellen, ganz niedrigem Geschlecht, war Mönch auf der Reichenau (einem Kloster, das im Lauf des 10. Jahrhunderts nur noch Adlige aufnahm) und Karls Kanzler schon in dessen schwäbischer Königszeit. Der Aufsteiger nützte die Karriere seines hohen Gönners, wurde 879/880 Bischof von Vercelli, wurde Karls Erzkanzler und Erzkaplan, sein einflußreichster Berater und zuletzt »mehr als der Kaiser von allen geehrt und gefürchtet« (Annales Fuldenses). Der klerikale Emporkömmling verfügte schließlich über einen kaum vorstellbaren Reichtum und sorgte rührend für seine Verwandten: ein Bruder Chadolt wurde 882 Bischof von Novara, ein Neffe mit dem gleichen Namen Liutward etwas später Bischof von Como.
    Infolge seiner fortschreitenden Erbkrankheit überließ der Kaiser das Regieren immer mehr Liutward. Er hielt schließlich die meisten Fäden in der Hand, führte sämtliche wichtigen Delegationen an, regelte insbesondere seit je alle Verhandlungen mit dem Papst, kurz, der Bischof stand als »der allmächtige Minister neben dem schwachen Herrscher«, war »geradezu der Leiter der Politik Karls III.« (Schur), »die Schlüsselfigur ... seiner Herrschaft« (Fleckenstein).
    Allmählich aber zog Bischof Liutward immer mehr den Zorn weiter Kreise auf sich. Nicht nur weil er jeden von des Kaisers Seite zu verdrängen suchte, nicht nur durch sein Nachgeben gegenüber den Normannen in Elsloo, wo er von ihnen bestochen worden sein soll, auch durch seine Habgier, seinen Nepotismus, überhaupt seine infame Sippenpolitik, wobei er Mädchen der vornehmsten Familien aus Schwaben wie aus Italien rauben ließ, um sie Verwandten als Frauen zuzuführen. Er befahl sogar einen Einbruch in das Nonnenkloster S. Salvatore in Brescia, um für einen Neffen

Weitere Kostenlose Bücher