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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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noch ihrem Seelenheil lebend, der Demut, dem Gebet; weshalb denn auch Gott ihr Grab durch Wunder verherrlicht und schließlich 1049 der hl. Papst Leo IX. ihren hl. Leib erhebt, was »einer Heiligsprechung gleich« kam, schreibt der Kapuzinerordenspriester P. Wilhelm Auer von Reisbach »Mit Approbation des Hochwürdigsten Bischöflichen Ordinariates Augsburg und mit Erlaubnis der Obern« bereits im 154. bis 160. Tausend seiner »Heiligen-Legende«. Und mutet uns gleich darauf das »Kirchengebet« zu: »O Gott, der du deine hl. Jungfrau Richardis von den Verleumdungen der Menschen befreit und mit der ewigen Herrlichkeit gekrönt hast: wir bitten dich, verleihe uns, daß wir nach ihrem Beispiele und durch ihre Fürbitte so den Nächsten in Wort und Tat lieben, damit wir die Belohnungen der ewigen Liebe erlangen. Amen.«
    Gut gesagt, beiläufig: nach ihrem Beispiele so den Nächsten in Wort und Tat lieben ... An den armen Karl den Dicken darf man dabei nicht denken. Und nach 25jähriger Josefsehe mit einer Heiligen – wo bleibt die Parität! – wird er nicht mal selig! Freilich, so Kapuzinerordenspriester Wilhelm Auer von Reisbach: »Er war im Geiste immer schwächer ... geworden und verstieß nun die edle Frau, wiewohl sie sich zu allen Proben ihrer Unschuld und Reinheit bereit erklärte.« 22
    Mit einem wie Karl dem Dicken, der bei jeder Schandtat gleich die Nerven verliert, wissen Pfaffen eben wenig anzufangen. Und Historiker nicht viel mehr. Beide verhimmeln Herren ganz andren Schlages, Männer mit Schlag vor allem, ja, mit Durchschlagskraft, Typen etwa vom Verbrecherformat Karls I. »des Großen«, Staatsbanditen, Völkerfresser, Menschheitsgeißeln, große Führer, die Hunderttausende von Quadratkilometern zusammenrauben und dabei über Leichen gehn wie über Dreck, Kannibalen von Säkularstatur, welthistorische Terroristen. Karolingische Universalpolitik nennt man das, während Karl III. der Dicke doch immer »wieder versagt« (Handbuch der Europäischen Geschichte), und Historiker in aller Regel nichts so verabscheuen wie Schwäche, Erfolglosigkeit, nichts so lieben wie Stärke, Erfolg, egal um welchen Preis. Im Gegenteil: je höher der Preis, desto höher ihr Preisen. 23

Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnelles Lebensende

    Liutward von Vercelli wurde im Juni 887 durch seinen Gegenspieler, den Erzbischof Liutbert von Mainz (863–889), abgelöst, einen wackeren Normannenschlächter, der mal »nicht wenige«, mal »sehr viele« niederstreckt (Annales Fuldenses) – den dieselbe katholische Quelle aber auch gar »geduldig, demütig und gütig« nennt, was christlich gesehen ja auch schönstens harmoniert. Liutward, einst schon Erzkaplan Ludwigs des Deutschen und Ludwigs des Jüngeren, ging nach seinem Sturz als Erzkanzler zu Herzog Arnulf von Kärnten über. Und Erzbischof Liutbert von Mainz, der noch 887 zum wichtigsten Berater des Kaisers wurde, tat alsbald dasselbe. Sein Parteiwechsel auf der Reichsversammlung in Tribur, die Arnulfs Königtum gleichsam begründete, entschied Karls Absetzung mit, aber der Erzbischof mußte eben »seine angeschlagene Position ... verbessern« (W. Hartmann). Und hätte er sich nicht auch beim neuen Herrn wieder ganz nach vorn gespielt, wäre er nicht schon im Februar 889 gestorben?
    Arnulfs Empörung, sein »Staatsstreich« begann, als er die Bayern zum Abfall brachte und schon bald mit ihnen und seinen karantanischen Truppen nach Frankfurt zog, wo ihn die Ostfranken, vor allem auch die Konradiner, im November 887 zum König erhoben. Karl wich vor dem Anrückenden nach Tribur aus. Doch sein Versuch, auf dem Reichstag gegen Arnulf eine Streitmacht zu rekrutieren, scheiterte kläglich. Eine einflußreiche Adelsverschwörung griff um sich und zwang ihn zur Abdankung. Selbst seine Alemannen ließen ihn sämtlich im Stich. Der Hof löste sich auf, auch seine Diener liefen davon. Man geht »um die Wette« zu Arnulf über, schreibt Abt Regino, »so daß nach drei Tagen kaum jemand übrig blieb, der ihm auch nur die Pflichten der Menschenliebe erwiesen hätte«.
    Praktisches Christentum (in doppelter Wortbedeutung).
    Wie üblich sprangen die Bischöfe gleich in Scharen ab. Ja, sie huldigten dem Usurpator »ausnahmslos und bereitwillig« (Dümmler). Schon zwei Monate nach Karls Absetzung fand sich dessen Notar und Kanzler Bischof Waldo von Freising beim neuen Herrscher ein. Auch die nur ein halbes Jahr darauf tagende große Versammlung in Mainz verlor, laut Synodalakten, kein

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