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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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eine Tochter des Markgrafen Unruoch von Friaul herauszuholen, mütterlicherseits eine Enkelin Ludwigs des Frommen – eine glänzende Partie. »Aber die Nonnen dieses Ortes wandten sich dem Gebet zu und baten den Herrn, die dem heiligen Ort zugefügte Schmach zu rächen; ihre Bitte wurde sofort erhört. Denn der, welcher mit dem Mädchen die Ehe in üblicher Weise vollziehen wollte, starb in derselben Nacht und das Mädchen blieb unberührt (intacta). Dies wurde einer Nonne aus dem obengenannten Kloster ... geoffenbart« (Annales Fuldenses). 19
    Dem Onkel der Geraubten, dem Markgrafen Berengar von Friaul, schien der jähe Tod des Bischofsneffen in der Brautnacht noch zu wenig. Er eilte nach Vercelli, »und dort angekommen, raubte er so viel von des Bischofs Sachen wie er wünschte«. Nicht genug, man beschuldigte Liutward noch der »Ketzerei«, nämlich »unsern Erlöser zu verkleinern, indem er behauptete, daß jener Eins sei durch die Einheit der Substanz, nicht der Person« (Annales Fuldenses). Man bezichtigte ihn auch des Ehebruchs, gar mit der Kaiserin persönlich – alles ganz öffentlich vorgebracht im Sommer 887 auf dem Reichstag in Kirchen (bei Lörrach).
    Karl der Dicke aber war nicht nur von Natur bequem, ehrgeizlos, er war auch krank, körperlich, vielleicht geistig. Er hatte sich im Frühjahr in der Pfalz Bodmann, dem von ihm bevorzugten Bodenseeraum, wie der Annalist mitteilt, »vor Schmerz einen Kopfeinschnitt« (incisionem) machen lassen – eine falsche Übersetzung, meint man inzwischen, keine Trepanation, weniger dramatisch.
    Gleichwohl, der Kaiser war fast regierungsunfähig (freilich das Schicksal vieler Regierenden). Und in dieser fatalen Situation gab er auch noch seinen ersten Mann der allgemeinen Wut und Enttäuschung preis. Ohne jede Unterredung mit Liutward entzog er ihm viele Lehen »und trieb ihn als allen verhaßten Ketzer mit Schande aus dem Palast. Doch jener begab sich nach Baiern zu Arnulf und sann mit diesem darauf, wie er dem Kaiser die Herrschaft raube ...« 20

25 Jahre Josephsehe – Feuerprobe bestanden

    Wie seinen ersten Mann (oder ihren zweiten?) wollte das hohe Paar aber auch den Ehebruch nicht auf sich sitzen lassen. Karl brachte darum schon nach wenigen Tagen seine Gattin Richardis »wegen derselben Sache vor die Reichsversammlung, und«, schreibt entzückt Abt Regino, »es klingt wunderbar, sie bekennt öffentlich, daß er sich niemals in fleischlicher Umarmung mit ihr vermischt habe, obgleich sie mehr als zehn Jahre durch eine gesetzmäßig geschlossene Ehe sich in seiner Gemeinschaft befunden«.
    Mehr als zehn Jahre? 25 Jahre. Denn bereits 862 hatte der dicke Karl die Tochter des elsässischen und breisgauischen Grafen Erchanger geheiratet. Ein Vierteljahrhundert Josefsehe. Nein, viel schöner, reiner noch: »Sie behauptet sogar, daß sie nicht bloß von seiner, sondern überhaupt von aller männlichen Beiwohnung (omni virili commixtione) frei geblieben sei, sie rühmt die Unversehrtheit ihres Magdtums und erbietet sich zuversichtlich, sie wolle dies, wenn es ihrem Gatten beliebe, durch das Urteil des allmächtigen Gottes erweisen, entweder durch einen Einzelkampf oder durch die Probe der glühenden Pflugscharen; sie war nämlich eine gottergebene Frau.« Deshalb zog sich Kaiserin Richardis auch nach der Scheidung in das Kloster Andlau im Elsaß zurück, das sie auf ihren Besitzungen erbaut hatte, um auch nicht mehr zum Schein irgendwelchen Männern, sondern, sagt Abt Regino, »um Gott zu dienen«. 21
    Der Kaiser verzichtete generös auf einen Nachweis ihres unversehrten Magdtums durch gerichtlichen Zweikampf wie durch glühende Pflugscharen.
    Die kirchliche Propaganda aber nahm sich des wunderbaren Keuschheitsfalles an, ließ, phantastisch ausgeschmückt, die verleumdete Kaiserin die Feuersglut glorios bestehen – noch das »Martyrologium Germaniens« (mit Imprimatur vom 6. Mai 1939) hält an solch »bestandener Feuerprobe« fest. Auch präsentiert man jahrhundertelang (im Kloster Etival) ein Wachshemd, das, auf den nackten Leib der Geprüften an allen vier Enden entzündet, weder den jungfräulichen Körper der Majestät versehrte noch selbst versehrt worden ist. Und während der Verleumder die schmutzige Lüge am Galgen büßt, verteilt die arme Richardis (die so ganz arm nicht war; schon Ende der 70er Jahre hatte sie eine Reihe von Frauenklöstern übertragen bekommen) »alles, was sie noch hatte, an die Armen und Klöster«.
    Und auch sie geht ins Kloster, nur

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