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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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›Symphonie‹ von Musikanten. Sie schlummerten in den Armen ihrer Beischläferinnen auf seidenen Kissen in künstlich mit Gold ausgelegten Bettgestellen, während ihre Vasallen, Kolonen und Sklaven ihren Hofstaat versorgten. Sie würfelten, jagten und schossen mit den Bogen. Sie verließen ihren Altar, an dem sie, mit Sporen an den Füßen und ein Dolchmesser an der Seite, Messe gelesen, und ihre Kanzel, um auf goldgezäumte Pferde mit sächsischen Sätteln zu steigen und ihre Falken fliegen zu lassen. Wenn sie reisten, umgab sie der Schwarm ihrer Hofschranzen, und sie fuhren in kostbaren Wagen mit Rossen, deren sich kein König würde geschämt haben.« 29
    Bleibt dies aber nicht durch ein Jahrtausend so oder doch sehr ähnlich?
    Johann VIII. war noch nicht bestattet, da wurde Marinus I. (882–884) schon sein Nachfolger. Marinus (gelegentlich falsch Martin II. genannt) war Sohn eines Priesters, bereits als Zwölfjähriger im römischen Kirchendienst und später meist päpstlicher Legat (vor allem in Byzanz gegen Photios); er wurde Schatzmeister, dann als erster Bischof eines anderen Bistums (von Caére, heute Cerveteri) Papst. Dabei mißachtete er freilich das kaiserliche Bestätigungsrecht ebenso wie die kirchlichen Kanones (besonders den 15. Kanon des Nicaenums), die den Übergang der Bischöfe von einer Diözese in die andere verbieten.
    Marinus gehörte zur Partei der von seinem Vorgänger exkommunizierten und verbannten Formosus von Porto, Gregor und Georg (S. 269 ff.), die nun, begnadigt, sogleich wieder das Ruder ergriffen. Formosus wurde erneut in seinen Sprengel eingesetzt, der einstige Zeremonienmeister Gregor zum Oberhofmeister befördert und wahrscheinlich, nicht unbestritten, Patriarch Photios abermals verdammt.
    Von Hadrian III. (884–885) ist wenig bekannt. Und als er nach einem kurzen Pontifikat im Sommer 885 Rom verließ, um Kaiser Karl III. den Dicken in Worms zu treffen, kam er nur bis S. Cesario sul Panaro bei Modena; hier starb er plötzlich, vielleicht eines gewaltsamen Todes. Der Verdacht besteht zumindest, und bezeichnenderweise hat man seine Leiche nicht nach Rom überführt, sondern im Kloster Nonantula beigesetzt. Doch wurde dieser Heilige Vater, der die Römer bei Dürre und Hungersnot mit harten Strafen drangsalierte, 1891 wirklich »heilig«, offiziell: Fest 8. Juli.
    Konnte aber unter Hadrian III. die Gruppe der von Papst Johann Verbannten sich noch behaupten, sorgte der aus seinem engeren Kreis kommende Stefan V. (885–891) für ihre Beseitigung. Oberhofmeister Gregor, »sehr reich«, wurde von einem kurialen Amtsbruder in der Vorhalle des Peterdomes erschlagen »und der Fußboden der Kirche, durch die er geschleppt wurde, ganz mit seinem Blute besudelt«; sein Schwiegersohn Georg vom Aventin, der päpstliche Kämmerer, wurde geblendet, Gregors Witwe nackt aus Rom gepeitscht. Nach dieser Glanzleistung beglückwünschte Erzbischof Fulco von Reims, wendig wie kaum einer (S. 311 ff.), den neuen Papst zur erfolgreichen Niederwerfung der Feinde des Heiligen Stuhles. 30
    Waren solche Feinde freilich nicht auszuschalten, versuchte man einfach, sich ihnen anzupassen, anzufreunden, wie das Verhalten Stephans gegenüber Wido von Spoleto zeigt. Es begann ein gänzlicher Umschwung in der päpstlichen Politik.

Wido und Berengar – Bürgerkrieg in Italien und päpstliche Schaukelpolitik

    Dem längst in Italien heimisch gewordenen, seit 842 als Herzöge von Spoleto begegnenden, mit den Karolingern aber nicht verwandten fränkischen Hochadelsgeschlecht der Widonen-Lambertiner entstammend, war Wido II. von Spoleto und Camerino seinem Vater Lambert gefolgt. Außenpolitisch nach Westfranken orientiert, familiär auch mit Toskana sowie Salerno verbunden und so der eigentliche Beherrscher Mittelitaliens, suchte er in den Spuren des Vorgängers sein Territorium vor allem im Süden und nicht zuletzt auf Kosten des Kirchenstaates zu vergrößern, ja, in Italien eine eigene Dynastie zu begründen.
    Schon Johann VIII., der Wido als schlimmsten Feind der Kirche haßte, hatte immer wieder Kaiser Karl III. zu Hilfe gerufen, ihn umschmeichelt und gebeten, »dem langwierigen Übel ein Ende zu machen«. Nachfolger Marinus I. traf den Herrscher 883 in der reichen oberitalischen Benediktinerabtei Nonantula (bei Modena), bereits seit ihren Anfängen auch ein bedeutendes politisches Zentrum. Wido wurde nun hochverräterischer Umtriebe mit dem griechischen Basileus bezichtigt und seines Herzogtums entsetzt.

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