Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Gefangengenommen, entfloh er, warb in Unteritalien Mauren an, mit denen er sich fest verband, worauf der Kaiser gegen ihn einen seiner führenden Parteigänger und Blutsverwandten schickte, den seit etwa 875 in Friaul gebietenden Markgrafen Berengar, einen Unruochinger, somit ebenfalls aus längst in Italien ansässigem fränkischem Hochadel. Der Kaiserenkel war durch seine Mutter Gisela, eine Tochter Ludwigs des Frommen, mit den Karolingern nah verwandt und unterstützte deren ostfränkischen Zweig und dessen Ansprüche auf die italienische Königswürde. Den ausbrechenden Krieg beendete indes bald eine Seuche in Berengars Heer, die sich über ganz Italien verbreitete, die bis an den Hof und zum König vordrang.
Wido aber konnte sich behaupten, wurde Ende 884 von Karl begnadigt und wohl oder übel wieder in sein Herzogtum eingesetzt. Schließlich erlangte er solche Macht, daß Papst Stephan V., nachdem er den griechischen wie fränkischen Kaiser um ihr Einschreiten ersucht hatte, sich dann doch an den im Moment Stärksten hielt, den Erzfeind der Kirche, Wido II. von Spoleto. Er adoptierte ihn sogar – wie einst Johann VIII. den Boso, gewann ihn auch zu einem Feldzug gegen die Sarazenen, wobei Wido 885 deren Festung am Garigliano erstürmte und plünderte, ein anderes Mal den Araberführer Arran mit 300 Gefährten bei Arpaja niederstach.
Berengar allerdings wurde im Januar 888 in Pavia, besonders mit Hilfe oberitalischer Bischöfe, zum König gekrönt, herrschte faktisch freilich nur über Oberitalien (888–924). Wido weilte seinerzeit außer Landes, um sich die westfränkische Krone zu holen (S. 312 f.), kehrte jedoch nach seinem Mißerfolg ebenso rasch wie er gekommen über die Alpen zurück.
In Italien begann damit der Bürgerkrieg zwischen den zwei katholischen Fürsten.
Wido hatte nach der Enttäuschung in Westfranken sofort gegen Berengar gerüstet, diesen freilich im Herbst 888 bei einem äußerst blutigen Zusammenstoß nahe Brescia nicht zu besiegen vermocht. Beide Seiten hatten große Verluste, schlossen einen kurzen Waffenstillstand, eine nur der weiteren Aufrüstung, Verstärkung, der Verbündetensuche dienende Atempause bis zum nächsten Treffen zu Beginn des Jahres 889 an der Trebia, wo einst Hannibal die Römer schlug. Es kam zu einem mörderischen Gemetzel, einer den ganzen Tag währenden Schlacht, in der auch hohe Geistliche das Schwert führten und Tausende ihr Leben verloren. Berengar mußte weichen; er konnte sich jetzt nur noch im östlichen Oberitalien (mit dem Zentrum Verona) behaupten. Wido aber wurde Mitte Februar 889 in der Pfalz zu Pavia vor allem von den oberitalischen Bischöfen zum senior et rex proklamiert – es waren »zum großen Teile dieselben, die vorher auf der Seite Berengars gestanden« (Dümmler). Dafür mußte Wido freilich wieder den Schutz der Kirche, die Vorrechte und Ehren der Prälaten garantieren, ja, er förderte manche derart, daß er ihnen bereits allen öffentlichen Besitz ihrer Städte schenkte und auch Befestigungen zu errichten erlaubte.
Papst Stephan V. hatte zunächst Wido begünstigt. Doch bald war ihm die neue Macht des Spoletiners, dessen Erblande in nächster Nachbarschaft lagen, nicht geheuer. Zwar wagte er nicht, ihm offen zu widerstehen. Doch an Hilferufe war er, gleich ungezählten seiner Vorgänger, gewöhnt. So hatte Stephan schon den byzantinischen Herrscher um regelmäßige Entsendung von Kriegsschiffen gebeten, und dies obwohl er den Patriarchen Photios wie Stephanos die Anerkennung versagte. Ebenso hatte der Papst das Eingreifen Kaiser Karls III. in Italien gefordert, wo dieser immerhin sechsmal erschienen ist. Doch da der Monarch inzwischen gestürzt und gestorben und durch seinen Neffen, König Arnulf von Kärnten, abgelöst worden war, ersuchte er nun diesen anfangs 890 dringend, »Rom und Sankt Peter zu besuchen und das italische Reich, befreit von schlechten Christen und dräuenden Heiden, in Besitz zu nehmen«. Weil aber Arnulf, durch innere und äußere Gegner gebunden, ablehnte, der erflehte Beistand ausblieb, unterwarf sich Stephan den »schlechten Christen« und krönte den zwar Verhaßten, doch damals Mächtigsten in Mittelitalien wohl oder übel am 21. Februar 891 (nebst Gattin Ageltrude) in St. Peter zum Kaiser – der erste Kaiser aus nichtkarolingischem Haus, aber freilich nur ein italischer Partikularpotentat, der indes auch bald seinen etwa fünfzehnjährigen Sprößling Lambert zum König erheben ließ. 31
Papst Formosus
Weitere Kostenlose Bücher