Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
päpstlicher Genehmigung seine Herrschaft 948 durch die Gründung der drei Slawenbistümer Brandenburg, Havelberg, Oldenburg (?) gesichert und überall die Bevölkerung zur Entrichtung der verhaßten Zehnten verpflichtet. Darauf drang er 950 mit einem starken Heer bis in die Mitte Böhmens vor und stellte, so formuliert die Forschung seriös,
»die Bindung Böhmens ans Reich wieder her«.
Oder sie nennt Analoges auch »die
Einbeziehung der Randländer
in den Reichsverband«: Hauptsache, all dies geschieht möglichst blutfrei auf dem Papier – je dreckiger die Geschichte, desto sauberer muß die Arbeit der Geschichtsschreiber sein, die der Staat auch bezahlt. Wes Brot ich eß ... – eine Kooperation ehrwürdigen Alters. 37
Mit Krieg hatte Otto I. die »Barbaren« Böhmens bezwungen, mit Krieg ging er auch gegen das im Nordosten angrenzende Polen vor.
Polen vertraut dem Wolf die Schafe an
Wie das russische Reich von dem Wikinger Rjurik (skand. Hrørikr), einem Schweden, in Alt-Ladoga oder (und) Nowgorod geschaffen worden war (S. 464), so soll Polen der Normanne Dago, vermutlich ein Däne, um 960 mit der Hauptstadt Posen an der Warthe gegründet haben. Der Name Polen, Poloni, Polonia, Polska (von pole = Feld, Ebene, das heißt steter Ackerbau in Waldlichtungen, das Land der Ebene), bürgerte sich erst seit etwa der Jahrtausendwende ein. Und nach polnischer Tradition (aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts) heißt der Normanne Dago: Mieszko I. (um 960–992) und war der vierte Nachkomme eines gewissen Piast, des Ahnherrn der Piasten (pol. Piastowie), eines Geschlechts, das in Polen bis 1370, in Masowien bis 1526, in Schlesien bis 1675 regierte. Vielleicht aber hatte, wie man heute auch meint, Mieszko zwei Namen, einen heimischen und einen fremden. Und ob die zwischen Oder und Weichsel siedelnden, sich in langen Grenzkämpfen bekriegenden polnischen und pomoranischen Slawen (von pomorje = am Meer) dort schon, ungeachtet aller Bevölkerungsbewegungen, in dem ganzen Jahrtausend vor der sogenannten Zeitenwende saßen, wie der wohl größere Teil der polnischen Forschung annimmt, oder ob sie, wie besonders die deutsche meint, nicht bodenständig, sondern Einwanderer waren, sei dahingestellt.
Jedenfalls ist dieser Dago oder Mieszko (Mescho von seinen polnischen Untertanen, in den lateinischen Quellen Misaca und Miseco genannt) der erste historisch gesicherte Fürst der Polen. Und die Größe des neuen Westslawenstaates – von dessen verschiedenen polnischen Stämmen die namengebenden Polen (poln. Polanie, lat. Poloni, Poliani) am spätesten, nämlich erstmals 1015 in den Hildesheimer Annalen vorkommen – war beträchtlich. Er reichte von der Oder bis an die russische Grenze, im Norden bis ans Meer. Er schloß auch (im 11. Jahrhundert verloren gehende) Grenzländer ein, etwa Mähren, die Lausitz, das nachmalige Ruthenien am oberen Bug und San, und wurde von Mieszko straff regiert.
Der Pole expandierte von Gnesen aus, überschritt im Norden die Warthe, im Süden die Oder, geriet aber unter den Druck des Markgrafen Gero und schließlich in die Abhängigkeit vom deutschen Nachbarn. Schon 963 rückte der Herr der Sorbenmark, diesmal im Bund mit den Redariern, mit zwei Heersäulen in die Lausitz und gegen das neue Reich vor. Mieszko I., wie seine Untertanen noch Heide, war ein lockendes Ziel für die »Mission«, zumal in Geros Nordmark schon seit 948 die Bistümer Brandenburg und Havelberg bestanden. Mieszko wurde in zwei schweren Schlachten zwischen Oder und dem rechten Wartheufer »mit gewaltiger Kraft« (Widukind) geschlagen, sein Bruder getötet, das Land ausgeraubt, er selber zur Zinszahlung und Anerkennung der deutschen Oberherrschaft genötigt. Widukind spricht von »vollständiger Knechtschaft« (ultimam servitutem). Der Verlauf der polnischen Geschichte war dadurch auf Jahrzehnte hin geprägt. 38
Sehr wahrscheinlich gleichzeitig mit Gero stieß Boleslav I. von Böhmen an der Südflanke Polens vor und brachte sich in den Besitz Krakaus. 965 (oder 966) heiratete Mieszko aber eine Tochter Boleslavs, die Christin Dobrawa (Dubravka), und wurde im Jahr darauf, 966 (oder 967), ein bedeutsames Datum, römisch-katholisch. Tschechische Missionare folgten, faßten rasch Fuß, und wahrscheinlich waren in der ersten Christianisierungsphase Polens noch bayerische Kleriker aktiv. Denn da sich Mieszko taufen ließ, zwang er auch sein Volk dazu, und diese »Revolution von oben« wiederholt sich zwei Jahrzehnte später bei der
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