Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
Reaktion; auf der Strecke blieben getötete Gefährten. Olga hatte seinerzeit ihr Sohn Svjatoslav abgelöst, ein verwegener heidnischer Haudegen, und dann rief man – eine weltgeschichtliche Entscheidung – nicht westliche, sondern byzantinische Missionare nach Rußland, erfolgte unter Vladimir von Kiew mit dessen Taufe 888/889 endgültig die Hinwendung zum byzantinischen Kulturkreis, worauf letztlich Moskaus Anspruch zurückgeht, »das dritte Rom« zu sein. 40
Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

    Der Enkel der hl. Olga, Vladimir der Heilige (980–1015) – als Heiliger wird er in der orthodoxen Kirche der Rus' seit dem 13. Jahrhundert verehrt –, erstritt sich erst, wie das seinesgleichen zusteht, mit einem eigens aus Schweden angeworbenen warägischen Kriegshaufen gegen seinen Bruder Jaropolk den Thron und die Alleinherrschaft. Dabei mordete er das in Polozk an der Düna herrschende skandinavische Geschlecht aus und machte die überlebende Tochter Rogneda gewaltsam zu seiner Frau, was viel feinen Sinn verrät. Darauf kam er durch Heimtücke in den Besitz von Kiew und ließ seinen Bruder Jaropolk töten. Und als seine nordische Gefolgschaft belohnt werden wollte, soll er sie, nach einer alten Quelle, an das reiche Byzanz gewiesen und den Kaiser vor ihr gewarnt haben.
    Der Heilige führte Krieg um Krieg und erpreßte von allen unterjochten Völkern Tribute. 981/982 unterwarf er die Wjatitschen, 984 die Radimitschen, und dazwischen, 983, griff er die Jadwiger (oder Sudauer) an, ein baltisches Volk im prußischen Siedlungsgebiet. Er besetzte ein Land, das im 13. Jahrhundert durch den Deutschen Orden zur »Großen Wildnis« wurde, wobei die Jadwiger selbst aus der Geschichte verschwanden.
    Einige Jahre nach seinem Angriff im Westen, wo Vladimir außerdem gegen Polen auch schon die cervenischen Burgen zwischen oberem San und oberem Bug in seine Gewalt gebracht hatte, rettete er im Süden den byzantinischen Kaiser Basileios II. (Bulgaroktónos, den Bulgarentöter 976–1025) aus einer großen innenpolitischen Kalamität. Mitten in den viele Jahre währenden Rivalitätskampf der Magnatenfamilien warf Vladimir eine Söldnertruppe, die warägisch-russische Druzina, die Basileios' Sieg entschied.
    Doch reicht das Wirken des Heiligen weiter: erlaubte ja dieser Sieg dem Kaiser indirekt einen weiteren, seinen größten Triumph. Denn bei Beendigung des 15jährigen bemerkenswert brutalen Krieges gegen die Bulgaren 1014 im Strymontal ließ die christliche Majestät sämtliche Gefangenen, angeblich 14000, blenden – nur jeder Hundertste behielt ein Auge, um die Blinden dem Bulgarenzaren Samuel zurückzuführen!
    Vladimir der Heilige hatte allerdings für seine Hilfe wider die Gegenkaiser in Byzanz die Hand der purpurgeborenen Prinzessin Anna, der Kaiserschwester, gefordert. Und als man bei Hof zögerte, das Versprechen gegenüber dem »Barbarenfürsten« einzulösen, unternahm er im April 988 einen Kriegszug nach Cherson, der bedeutendsten byzantinischen Kolonie am Nordufer des Schwarzen Meeres (bald nach 1500 zugrundegegangen und heute wüst). Er gewann die Stadt durch Verrat des Priesters Anastasius, den er dafür zum Kirchenvorsteher in Kiew machte, und gewann jetzt auch die »in der Porphyra (dem Kaiserpalast) geborene« Prinzessin aus Byzanz, was nicht einmal Otto »dem Großen« für seinen Sohn und Mitkaiser gelungen war.
    Freilich hatte auch die Purpurgeborene wieder ihren Preis. Vladimir von Kiew »mußte sich dafür«, so das katholische Handbuch der Kirchengeschichte, »aber taufen lassen« und zwang anschließend das Kiewer, seine Götter beklagende Volk – wieder eine »typische ›Revolution von oben‹« (Hösch) –, vermutlich im Sommer 988 zur Massentaufe im Dnjepr.
    Heilig wird man nicht umsonst – weder in der römischen noch in der orthodoxen Kirche!
    Doch wird der erste christliche Großfürst Rußlands, in dessen Geschichte er mit den Beinamen des »Großen und Apostelgleichen« glänzt, auch in der griechisch-unierten Kirche als Heiliger verehrt, und zwar mit Genehmigung des päpstlichen Stuhles!
    Schließlich war Vladimir mannigfach hervorgetreten: durch Verrat und Mord, durch Brudermord gar, durch jede Menge blutiger Eroberungszüge und Verknechtungen, durch den Bau von Kirchen, Burgen und Festungen nach dem neuesten Stand der Kriegstechnik, auch durch Vernichtung aller heidnischen Idole und Tempel seines Reiches.
    Denn gleich nach seiner Rückkehr aus Cherson hatte er dem Heidentum

Weitere Kostenlose Bücher