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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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Christianisierung Rußlands (S. 467). Das Märchen vom Himmelspförtner (IV 381 ff!) hatte auch im Osten seine magische Wirkung. Ein Jahr nach dem Tod des Schlächters und Romreisenden Gero (20. Mai 965) wurde Polen unter dem Patrozinium St. Peters christlich. Mieszko I. unterstellte es dem »Schutz« des Papstes, und kaum ein Land haben die Päpste stets so hemmungslos verraten wie das ihnen nun ein Jahrtausend unverbrüchlich ergebene Polen.
    Schon 968 wurde ein Bistum in Posen gegründet, sein erster Bischof der Deutsche Jordan, sein Nachfolger der Deutsche Unger. Und Mieszko, der entgegen kirchlicher Vorschrift nach dem Tod seiner ersten Frau (977) die Nonne Oda des Klosters zu Calbe heiratete, eine Tochter des Markgrafen Thiedrich von der Nordmark, entwickelte sich nun zum Vorkämpfer des Christentums an der nördlichen Heidenfront und genoß bei seinen Offensiven gegen die Heiden den eifrigen Beistand der christlichen Böhmen. 39
    Otto I. aber suchte in seine Missionspläne noch Rußland einzubeziehen, wenn auch vergeblich.

Die hl. Olga (gest. 969)

    Das Reich von Kiew (907–1169), seit dem späteren 10. Jahrhundert allmählich das »Rus«-Reich genannt (ein Name, der auf die mittelschwedische Landschaft Roden, heute Roslag, hinweist), war die erste Herrschaftsbildung zwischen Ostsee und Schwarzem Meer und ein Werk schwedischer Wikinger (die nun Waräger hießen), genauer ein Werk der Wikingerdynastie der Rjurikiden (die erst 1598 ausstarb) samt ihrem normannischen Gefolge. Der neue »Staat«, der erste russische, war also schwedischer Herkunft und verdankte seinen Aufstieg vor allem dem Handel mit Byzanz. Und über den Handel (nicht nur mit Waren) fühlte man sich, wie bald zu sehen ist, auch weiterhin sehr verbunden.
    Um 945 war Fürst Igor von Kiew durch Drevljanen erschlagen worden. Der ostslawische Stamm, seit einem halben Jahrhundert dem Fürstentum tributpflichtig, hatte die drückende Last schon wiederholt abzuschütteln versucht und durch Igors Tod auch vorübergehend die Unabhängigkeit erlangt. Als aber seine Witwe, Großfürstin Olga (skand. und griech. Helga), in der orthodoxen Kirche als Heilige verehrt (Fest 11. Juli), um 945 für ihren kleinen Sohn Svjatoslav die Regentschaft übernahm, rächte sie grausam den Tod ihres Mannes.
    Nach der »Nestor-Chronik« (Povest' vremennych let, Erzählung der vergangenen Jahre) – ein berühmtes, im frühen 12. Jahrhundert in Kiew entstandenes Denkmal altrussischer Chronistik –, ließ Olga zwei Gesandtschaften der Drevljanen, deren »beste Männer«, einmal lebendig begraben, ein andermal lebendig verbrennen und dann bei einem Gelage 5000 berauschte Menschen niederhauen. Dies ist zwar sagenhaft aufgemacht, übertrieben. Doch hat die Fürstin – die, so sang man in einem alten Lobpreis, dem christlichen Land voranging »wie der Morgenstern der Sonne, wie die Morgenröte dem Tageslicht« – um 950 tatsächlich einen beträchtlichen Teil des gegnerischen Adels ausgerottet, diverse Burgen der Drevljanen verbrannt, deren Gebiet endgültig annektiert und sich selbst 955 oder 957 in Kiew oder Konstantinopel taufen lassen – ein kaum oder gar nicht religiös motivierter Akt, der ihr innen- wie außenpolitisches Prestige erhöhen sollte.
    Nach Thietmar von Merseburg hatte Kiew schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts »mehr als 400 Kirchen und acht Märkte« (mercatus). Es war die bevölkerungsreichste russische Stadt des Mittelalters: vor dem katastrophalen, doch von göttlichem Sendungsbewußtsein beflügelten Mongolensturm im 13. Jahrhundert mit annähernd 40000 Einwohnern, danach noch mit etwa 2000.
    Als die hl. Olga 957 in die Kaiserstadt am Bosporus reiste, hatte sie nicht nur einen Priester, sondern auch auffallend viele Kaufleute in ihrem Gefolge. Und zwei Jahre später nützte sie den Thronwechsel in Byzanz, den Tod des kultur- und geistesgeschichtlich bedeutsamen Kaisers Konstantin VII. Porphyrogennetos, zu einer direkten Anknüpfung im Westen. Sie erbat anno 959 von König Otto I. Priester und vor allem Handelsbeziehungen! Der darauf schnell zum Missionsbischof geweihte Mainzer Mönch Libutius starb aber noch vor Antritt der Reise. Und der nun von Otto nach Kiew geschickte, zum »Bischof für die Russen« geweihte Adalbert – vordem Mönch in Trier, danach Abt in Weißenburg, zuletzt, 968, der erste Erzbischof Magdeburgs – kam 962 erfolglos zurück; nicht ohne Glück trotz allem, vertrieben entweder von feindlichen Christen oder einer heidnischen

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