Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Wido von Modena wechselte das Lager, weil ihm Berengar die reiche Abtei Nonantula in Aussicht stellte; und Wido »zog auch noch eine Menge anderer mit sich«. Ebenso verriet Erzbischof Arderich von Mailand den König und lud dessen Gegner an seinen Hof, wo dann die große Umverteilung der Güter begann. 60
Nebenbei: nicht allen Pfaffen kam Berengar entgegen. Den Priester Dominikus ließ er entmannen. Nicht weil er es mit Berengars Töchtern trieb, die er erzog, sondern, wiewohl selbst äußerst unattraktiv, kurz, struppig, ungewaschen, mit ihrer Mutter, mit Gattin Willa, der Nichte König Hugos. Bei der brutalen Prozedur zeigte sich denn auch, was die edle Fürstin an dem angeblich recht bäurischen, borstigen, zottigen, ungebildeten etc., freilich auch geilen »Pfäfflein« so angezogen hat. Bezeugten seine Entmanner doch, »daß die Herrin ihn mit recht liebte, da er nach übereinstimmendem Urteil wie Priapus ausgestattet war«. 61
König Hugo aber gab auf. Nach jahrelangem Krieg, nach mehrmaliger Verheerung der Umgegend von Rom mit Feuer und Schwert, legte er 946, wie gewiß schon so manches Mal, den Streit bei. Ringsum verraten, nicht zuletzt von jenen, die er begünstigt hatte, beschloß er nach zwanzigjähriger Herrschaft seinen Rückzug. Zwar gestand man ihm formell die Königskrone weiter zu. Da jedoch der wirkliche Herrscher Berengar II. von Ivrea war, setzte sich Hugo, unter Versicherung friedlicher Absichten, im Frühjahr 947 »mit all seinem Gelde« in die Provence ab – und bereitete dort den Krieg gegen Berengar vor. Er rüstete zum Entscheidungskampf, starb aber schon am 10. April 948 in Arles.
Sein Sohn Lothar, jetzt offiziell allein König von Italien, festigte zwar etwas seine Stellung durch die Heirat mit der erst 16jährigen, seit ihrem 6. Lebensjahr mit ihm verlobten Welfin Adelheid, Tochter des verstorbenen Königs Rudolf II. von Burgund, vielleicht auch durch Intervention des byzantinischen Kaisers, verschied freilich plötzlich am 22. November 950 in Turin, angeblich von Berengar durch Gift beseitigt.
Bereits am 15. Dezember desselben Jahres wurden Berengar II. (950–961) und sein Sohn Adalbert in S. Michele von Pavia zu Königen von Italien gekrönt, was Otto I. als Usurpation betrachtete. Und schon in Pavia scheinen die neuen Regenten Lothars junger Witwe Adelheid den Königsschatz, ihren Schmuck und gesamten persönlichen Besitz geraubt zu haben. Sie selbst, flüchtig, wurde am 20. April 951 in Como eingefangen und vier Monate, wahrscheinlich in Garda, inhaftiert. Doch gewann sie mit Hilfe Adelhards von Reggio ihre Freiheit. Es war derselbe Kleriker, der einst Berengar den Weg nach Italien geöffnet hatte und dafür Bischof geworden war (S. 493), jetzt aber, in richtiger Einschätzung der Lage, die Zeit für gekommen hielt, erneut die Front zu wechseln.
Adelheid, die als rechtmäßig anerkannte Königin, rief Otto I. um Hilfe, und dieser griff ein. Zum erstenmal zog er jetzt nach Italien und erschien am 23. September 951 in Pavia, das erst tags zuvor Berengar und Sohn verlassen hatten. Otto übernahm ohne Wahl beziehungsweise Krönung den Titel eines Königs der Langobarden, sein Bruder Brun und der Erzbischof Manasse von Mailand walteten als seine Erzkaplane. Noch im Herbst heiratete er die um 18 Jahre jüngere Burgunderin Adelheid, fragte in Rom auch gleich wegen der Kaiserkrone an, bekam aber eine Absage durch Alberich und brach im Februar nächsten Jahres wieder nach Deutschland auf. 62
Berengar II. ergab sich bald freiwillig. Er leistete im August 952 Otto in Augsburg den Lehenseid und wurde als sein Vasall mit dem Königreich Italien belehnt. Die Marken Verona und Aquileia schlug man aus »geostrategischen« Gründen zum Herzogtum Bayern. Da der deutsche König in den nächsten Jahren an den Norden gebunden war, regierte Berengar in Italien ziemlich ungestört. Er versuchte die Selbständigkeit seines Königreichs gewaltsam wiederherzustellen und benutzte jede Gelegenheit, sich an jenen, die ihn zuerst verlassen hatten, zu rächen, besonders also an den Bischöfen. Sie mögen auch vor allem Berengars Ankläger bei Otto geworden sein, der dann, beraten von Erzbischof Brun von Köln, seinen Sohn Liudolf, Herzog von Schwaben, nach Italien schickte.
Anno 956 besetzte dieser ohne Schwertstreich Pavia und besiegte Berengars Sohn, König Adalbert, auf dem Schlachtfeld (vielleicht bei Reggio). Als Liudolf aber am 6. September 957 in Piomba (südlich des Lago Maggiore) plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher