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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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fünfjährigen Hugo, zum Kirchenhaupt von Reims, während er den Vater die weltlichen Besitzungen des Erzbistums verwalten ließ. 57
    Doch die vom Papst erhoffte Hilfe blieb aus. Im Gegenteil. Es kam schlimmer. Marozia, deren Vater Theophylakt und deren Mann Alberich I. von Spoleto gestorben waren, heiratete 926 in zweiter Ehe den Markgrafen Wido von Toskana (Tuszien). Durch die Vereinigung von Spoleto und Toskana aber erhöhte sie noch ihre Macht und wurde die eigentliche Herrin Roms.

Päpste von Marozias Gnade und König Hugos Hochzeitsnacht

    Der päpstliche Hof rebellierte. Johann X. war offenbar nicht bereit, das neue Regiment zu dulden und sich der Partei zu fügen, der er selber seinen Sitz verdankte. Doch sein Bruder Petrus, eine Art »Markgraf«, dem der Papst immer mehr Macht zugeschanzt, so daß er in Rom eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, wurde vertrieben. Von Orte aus, das er zur Festung gemacht, attackierte er darauf die Stadt. Vielleicht rief er auch die Ungarn herbei, die Tuscien weit und breit brandschatzten; die Nachricht ist unsicher, die Zeit dunkel. Ende 927 aber wurde Petrus von den empörten Römern im Lateranpalast vor den Augen des Papstes erschlagen, Johann X. selbst im nächsten Sommer von einer Schar Widos, angeblich während des Hochamts in der Lateranbasilika, überfallen, entführt und später in die Engelsburg geworfen, wo er eingekerkert blieb, bis er dort Mitte 929 umkam, wahrscheinlich mit einem Kissen erstickt. Durch Theodora hatte er das Papsttum erlangt, durch ihre Tochter Marozia, nun Alleinherrscherin Roms, es wieder verloren und das Leben dazu.
    Und König Hugos Kaisertraum war vorerst ausgeträumt.
    Die folgenden Päpste Leo VI. und Stephan VII., beide Römer, Heilige Väter von Marozias Gnaden, wurden wahrscheinlich gleichfalls ermordet. Und diese Frau, die sich Senatrix, Patricia titulieren ließ, hatte sie ernannt. Leo VI. (928–929) war schon Papst, als sein Vorgänger noch im Kerker lag, ja, er starb selbst noch vor Johann X. Anfang 929. Auf Leo folgte Stephan VII. (929–931). Und möglicherweise sind beide überhaupt nur Platzhalter für den nächsten gewesen. Denn nun machte Marozia ihren eigenen, einst vom Heiligen Vater Sergius III. gezeugten Sohn im Alter von erst Anfang Zwanzig zum Papst Johann XI. (931–935). Und da 929, bald nach Johann X., auch ihr zweiter Mann, Margraf Wido von Toskana, gestorben war, heiratete sie, durch den Verbrauch zahlreicher Liebhaber und zweier Gatten leicht lädiert, im Sommer 932 in dritter Ehe Widos Stiefbruder Hugo von der Provence, zwar schon verehelicht, aber auch König von Italien (926–948) und auf der Höhe seiner Macht. Und endlich schien sich sein Kaisertraum zu erfüllen.
    Getraut hat das hohe Paar aller Wahrscheinlichkeit nach Papst Johann XI., obwohl dies gegen das seinerzeitige kanonische Recht verstieß, da der König der Schwager seiner Braut war. Im übrigen: ein so skrupel- wie zügelloser, mit Konkubinen und Mätressen gesegneter, doch durchaus gut christ-katholischer Gewaltmensch, der unter einem Geblendeten, Kaiser Ludwig dem Blinden, Karriere gemacht: erst Graf, dann dux und marchio der Provence, darauf faktischer Regent des niederburgundischen Königreichs. Hugos »Schwäche für die Weiber« aber stellte alles in den Schatten. Kein Wunder, daß er die Bistümer und Abteien Italiens verkaufte. Indes: auch »ein Verehrer Gottes« und Freund der »Liebhaber des heiligen Glaubens« (Liutprand). Ein kluger Fürst also, der häufig mit Heiligen wie Odo von Cluny verkehrte und überhaupt die kirchliche »Erneuerungsbewegung« förderte. Seine ganze Regierungszeit freilich, noch immer stimuliert durch die ambitiösen karolingischen Traditionen des Mittelreiches, die imperiale Konzeption, füllten Feldzüge aus und ein fortgesetztes Niederschlagen von Aufständen. Die Kaiserkrone errang er gleichwohl nicht.
    Aber sicher sah sich auch Marozia schon als Kaiserin; schien ja nichts selbstverständlicher als eine Krönung durch ihren päpstlichen Sohn. Doch gleich nach ihrer Hochzeit nebst Hochzeitsnacht im Juni 932 in der Engelsburg kam es zu einem jähen Umschwung. Ihr Sohn Alberich II. (aus der Ehe mit Alberich I. hatte sie mindestens vier Söhne) rebellierte mit Unterstützung der Römer und riß die Stadtherrschaft an sich. König Hugo, dessen Lebensziel das Kaisertum blieb, seilte sich nachts vom Kastell St. Angelo ab und floh über die angrenzende Stadtmauer. Marozia aber und Papst Johann XI., Mutter und

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