Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
offenbar zahlreichen Todesurteile gegen Leos stadtadelige Widersacher in Verbannung umgewandelt. Und anno 815, als Leo, nachdem er mehr als zwei Jahrzehnte den von Petrus nie besetzten Stuhl gedrückt, schon todkrank lag, erschütterte eine neue Rebellion, eine Adelsrevolte und ein Bauernaufstand, das Regiment des Heiligen, der Güter gewaltsam für die »apostolische Kammer« einziehen, enteignete Eigentümer köpfen ließ, Todesurteile gleich reihenweise fällte, und dem man natürlich auch selber ans kostbare Leben wollte.
    Die Römer sammelten sich zu Hauf, schreibt der Reichsannalist, »und plünderten zuerst die Landgüter aus, die der Papst in der letzten Zeit in dem Gebiet der einzelnen Städte angelegt hatte, und brannten sie dann nieder. Hierauf beschlossen sie, nach Rom zu ziehen und sich das mit Gewalt zu nehmen, was ihnen, wie sie sich beschwerten, entrissen worden war.« Auf die Stadt vorrückend, wurden sie jedoch von dem fränkischen Herzog Winigis, obwohl altersmüde schon und schwach wie der Papst, niedergeworfen. Zum Trost in seiner Trübsal (nicht für seine Untertanen) pflegte der Geplagte schließlich mehrmals am Tag die Messe zu lesen. Und Herzog Winigis wurde wenige Jahre später Mönch und starb gleichfalls bald darauf.
    Warum aber kam Leo III. im 17. Jahrhundert in das römische Martyrologium? Warum sprach man dieses Mörderscheusal heilig? (Einen Papst, nebenbei, während dessen 21jährigem Pontifikat auch nicht eine Synode auf seine Initiative tagte, die Kanones zur Festigung der Kirchendisziplin erlassen hätte!) Nicht wegen seiner Brutalität kanonisierte man ihn, nicht wegen seiner Liquidierungen, erst recht nicht wegen seines Kniefalls vor Karl »dem Großen« – es war, wenn nicht die erste, so doch die letzte Proskynesis eines Papstes vor einem westlichen Kaiser –, dem allein er sein Überleben (mehr im Amt als in der Würde) verdankte. Nein, man kanonisierte ihn, weil er Karl an Weihnachten 800 die Krone auf den Kopf gesetzt (IV 449 f.); weil er derart die Herrschsucht, das nimmersatte Suprematiestreben der Päpste eindrucksvoll forciert, weil er mit diesem die Zeiten durchstrahlendem Signal, diesem »Geniestreich« (de Rosa) ihren absoluten Führungsanspruch gleichsam für immer ins triste Buch der Geschichte geschrieben hat. Nur darum sieht auch Franz Xaver Seppelt, der katholische Papsthistoriker, Leos III. Namen im »Katalog der Heiligen« prangen – ungeachtet aller Fatalitäten seines langen Terrors, aller Leichen, die seinen Weg säumen – heilig, heilig heilig! (Fest: 12. Juni) 44

Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung: Stephan IV. (816–817) und Paschalis I. (817–824)

    Leo war am 12. Juni 816 gestorben.
    Sein Nachfolger Stephan IV., ein von Kind an im Lateran herangedrillter adeliger Römer, den man binnen zehn Tagen erhob, ohne den Kaiser zu fragen, regierte nur wenige Monate, doch stellte seine vornehme Familie im Lauf des Jahrhunderts zwei weitere Päpste. Stephan selbst brach noch im August von Rom auf, um, begleitet von König Bernhard, »mit größter Eile« über die Alpen nach Reims zu reisen, wo sich in den ersten Oktobertagen Ludwig, von Gold und Edelsteinen strotzend, unter den Lobgesängen des Klerus, dem byzantinischen Zeremoniell gemäß, dreimal vor dem Papst niederwarf und darauf diesen mit dem Psalmwort begrüßte: »Gebenedeit sei, der da kommt im Namen des Herrn«. Umarmung, Küsse, Kirchgang, Tedeum, neue Lobgesänge – und am nächsten und folgenden Tag »gegenseitig viele Geschenke« und »herrliche Gastereien« (Reichsannalen). Der Imperator opferte dem Kirchenfürsten Silber, edelsteingeschmückte Pokale, Tafelgeschirr aus Gold, mit Gold beladene Pferde u.a. Stephan spendierte sparsam, etwas Gold auch, Gewänder, wobei er freilich »hundertfach zurückerhielt, was er an Geschenken aus Rom mitgebracht« (Ermoldus Nigellus). Ja, so macht Schenken Freude. So gibt gerne selbst der Papst.
    Und Heiligkeit, die nicht vergaß, Ludwig »einen zweiten König David« (Thegan) zu nennen, war nur so erpicht darauf, bei einer Festmesse in der Reimser Marienkirche, wo Chlodwig getauft worden sein sollte, den Kaiser zum Kaiser zu krönen: obwohl der schon drei Jahre vorher, 813, doch in Aachen zum Kaiser gekrönt und auch nach dessen Tod noch einmal in Aachen feierlich als Kaiser akklamiert worden, sogar nach kurialer Ansicht »schon unbestritten ›Kaiser‹ war« (Eichmann). Dennoch – das durfte, konnte nicht genügen. Roms Mitwirkung sollte, mußte

Weitere Kostenlose Bücher