Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
I. in Italien, wo er, beraten von Wala, seit 822 die Herrschaft Pippins und Bernhards fortzusetzen hatte. Zu Ostern bat ihn Stephans Nachfolger Paschalis I. zu sich, ein harter, viel böses Blut machender Papst, der wiederum ohne Befragung des Kaisers, wofür er sich allerdings entschuldigte, konsekriert worden war. Und in der Peterskirche zelebrierte er am Ostertag (5. April 823) mit Lothar, doch bereits 817 vom Vater in Aachen zum Kaiser gekrönt, dasselbe Ritual wie eben sein Vorgänger mit diesem Vater einst in Reims. Und wieder hatte die Krönung, die Lothar umso eher zustatten kam, als man gerade die Schwangerschaft der Kaiserin erfahren, denselben Zweck: das Kaiserreich an Rom zu binden, die Salbung und Krönung durch den Papst als unerläßlich auch für bereits von weltlichen Instanzen ernannte und gekrönte Kaiser erscheinen zu lassen. Und tatsächlich hat man das »Recht« der Päpste zur Kaiserkrönung ebenso wie das »Recht« Roms und Sankt Peters, wofür man hier ein Präjudiz geschaffen, Krönungsstätte zu sein, »immer mehr anerkannt« (Kelly). Bemerkenswerterweise wurde diese Zweitkrönung Lothars erstmalig auch mit der Übergabe eines Schwertes verbunden; wie man denn jetzt auch die Kooperation bei der Mission des Nordens intensivierte (S. 70, 470). Das Schwert aber, das der Papst außer der Krone Lothar überreichte, war Symbol des Schutzes wie der Gewalt, Zeichen der Verpflichtung zur Ausrottung des »Bösen«. 47
Papst Paschalis blendet und köpft, wird heilig und im Kalender wieder gestrichen
Das Böse aber erkannte stets niemand besser als die Päpste.
Paschalis, zum Beispiel, erkannte es selbst in den eigenen Ministern, und zwar, interessanterweise, in den führenden Köpfen der profränkischen Partei. Deshalb wurden zwei der höchsten päpstlichen Beamten, der hochadelige Primicerius Theodor (noch 821 Nuntius am fränkischen Hof) und sein Schwiegersohn, der Nomenclator Leo, 823, nach Lothars Abzug, »wegen ihrer Treue gegen Lothar« (Astronomus), weil sie, berichten auch die Reichsannalen, »in allen Stücken treu zu dem jungen Kaiser Lothar gehalten«, durch päpstliche Bedienstete im Lateranpalast geblendet und geköpft – ohne jedes Rechts verfahren. Dabei schrieb man dem Papst oder doch »seiner Zustimmung alles zu«, sagt der Astronom.
Die ganze Sache erinnert etwas an die blutige Prozedur des hl. Leo III. im Jahr 815 (S. 57 f.). Der Monarch aber sandte auch 823 seine Richter nach Rom und zog sich für den Rest des Sommers sowie für den Herbst in den Wormsgau und zur Jagd in die Eifel zurück. Doch Paschalis (bei den Römern so beliebt, daß es noch bei seinem Leichenbegängnis zu Tumulten kam) stritt jede Mitschuld ab und entzog sich, Grund genug dafür mochte er haben, dem Verfahren, indem er – ein schon durch den hl. Leo III. im Dezember 800 erprobtes (IV 449), besonders bei den kirchlichen Offizialaten häufiges »Beweismittel« – unter Beihilfe von 34 Bischöfen sowie fünf Presbytern und Diakonen öffentlich den Reinigungseid schwor. Zugleich verfluchte er die Ermordeten als Hochverräter, nannte ihren Tod einen Akt der Gerechtigkeit, hätten sie doch als Majestätsverbrecher ihr Schicksal verdient, und nahm die Mörder als Dienstleute des hl. Petrus (de familia sancti Petri) »aufs entschiedenste in Schutz« (Annales regni Francorum). 48
Kaiser Ludwig resignierte. Und Papst Paschalis I. starb 824 inmitten der familia sancti Petri. Der Mann war schlau, Ludwig unverkennbar überlegen, und hart. Fuldaer Mönche, die ihm eine unliebsame Nachricht brachten, ließ er kurzweg in den Kerker werfen und bedrohte ihren Abt Rhabanus Maurus mit Exkommunikation. In Rom selbst war sein rigoroses, den Staat völlig zerrüttendes Regiment verhaßt. Und da nicht nur seine beabsichtigte Beisetzung, sondern auch die folgende Papstwahl im Zeichen schwerer Krawalle stand, blieb Paschalis' Leiche längere Zeit unbestattet, bis sie sein Nachfolger unter die Erde bringen konnte, allerdings nicht in St. Peter.
Dafür gelangte jedoch Paschalis' Name, etwas später, Ende des 16. Jahrhunderts, durch den Kirchenhistoriker Cäsar Baronius – er mußte zur Annahme der Kardinalswürde durch Exkommunikationandrohung gezwungen werden – in den Heiligenkalender der katholischen Kirche (Fest 14. Mai), noch einmal etwas später freilich (Roms Mühlen mahlen langsam), 1963, auch wieder hinaus; sein Festtag wurde gestrichen. 49
Mitkaiser Lothar I. und die »Constitutio Romana«
Als nach Paschalis'
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