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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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zur vollen Geltung cäsarischer Würde notwendig sein. Kaiserkronen wollten die Päpste vergeben, mochten sie Kaisern gegenüber sonst noch so knauserig sein. Eine Krone aber hatte Stephan bereits im Reisegepäck, »eine goldene Krone von wunderbarer Schönheit mit den wertvollsten Edelsteinen geschmückt« (Thegan), eine, die der Papst auch noch als Krone Kaiser Konstantins ausgab! (Das katholische Handbuch der Kirchengeschichte präsentiert diese »Krone Konstantins« dezent in Gänsefüßchen.)
    Der Schwindel, rechtlich zwar belanglos, konnte und sollte selbstverständlich auch an die römische Herkunft des Kaisertums erinnern sowie an die Beziehung der beiden Potentaten, an die »Achse« Aachen-Rom gleichsam. Vor allem aber: es war eine Anknüpfung an den Coup seines Vorgängers, eine Fortsetzung und ein neuer Vorstoß somit zugunsten der römischen Ansicht der Dinge, der höchsten Aspekte der Historie; gewissermaßen der papalen Auffassung nämlich »von der Kaiserwürde, ... vom Recht des Papstes auf die Kaiserkrönung und von der päpstlichen Übertragung des Kaisertums« (Seppelt). Das Reich wurde nun als das »Heilige Reich« feierlich bestätigt.
    Stephan IV. salbte seinerzeit auch den jungen Monarchen und dessen Gemahlin Irmingard, wobei er erstmals die Krönung eines Kaisers mit der Salbung verband. Bezeichnenderweise kam die Personensalbung in der abendländischen Kirche auf, in der orientalischen, in der man, viel früher als im Westen, nur Altar und Gotteshaus salbte, war sie unbekannt und wurde erst später aus dem Westen übernommen.
    Nach der Segnung betete Papst Stephan beziehungsreich: »O Christus, Herrscher über die Welt und alle Zeitalter, der Du gewünscht hast, Rom als Haupt des Erdenkreises zu sehen ...« Ludwig seinerseits leistete offenbar einen Schutzeid für die römische Kirche, der bald unter dem Namen Pactum Hludowicianum bekannt geworden ist, an ältere generöse Freundschaftsdienste der Franken anknüpfte und Rom eine interne Bischofswahl, reguläre Gerichtsbarkeit gewährte, auch den ganzen Territorialbesitz des Papstes aufzählte, kurz, diesem großzügig bemessene Privilegien gab, sowohl seine Kirchengüter als auch Hoheitsrechte garantierte, freilich auch den fränkischen Suprematieanspruch zu sichern suchte.
    Das Streben nach Macht und Besitz stand wie stets im Vordergrund, während die von Ludwig so geförderte kirchliche Reformpolitik »bezeichnenderweise ohne erkennbare Beteiligung der Päpste« blieb (Schieffer). Doch: »So lange der Papst anwesend war, pflogen sie jeden Tag Unterhaltung über das Beste der heiligen Kirche Gottes (de utilitate sanctae Dei aecclesiae). Nachdem aber der Kaiser ihn mit großen und unzähligen Geschenken überhäuft hatte, mehr denn dreimal so vielen, als er selbst von jenem empfangen hatte, wie er es denn immer zu tun pflegte, mehr zu geben als zu nehmen, ließ er ihn wieder nach Rom ziehen ...« (Thegan); »...kehrte der Papst, der alles erreicht hatte, was er wünschte, nach Rom zurück« (Astronomus). Tatsächlich traf er dort reich beladen mit Gold und Silber ein, vor allem aber mit Besitz-Garantien, Bestätigungen von Privilegien, Immunitäten; auch hatte er eine zusätzliche kaiserliche Schenkung erhalten, das fränkische Krongut Vendeuvre (bei Bar-sur-Aube), verschied jedoch schon im folgenden Winter, am 24. Januar 817, und wirkte nach dem Tod noch ein paar Wunder. 45
    Stephans Nachfolger Paschalis I. (817–824) ließ sich das mit seinem Vorgänger ausgehandelte Pactum Hludowicianum alsbald vom Kaiser bestätigen, d.h. den ganzen Umfang der von Pippin und Karl, Ludwigs Großvater und Vater, gemachten Schenkungsversprechen und Schenkungen, die Autonomie des Kirchenstaates also, die päpstlichen Herrschaftsrechte und nicht zuletzt die freie Papstwahl. Die Urkunde, ein vielumstrittenes, nicht einmal im offiziellen Papstbuch erwähntes, nur als Abschrift (nicht im Original) in den kirchlichen Rechtssammlungen des 11./12. Jahrhunderts überliefertes Dokument, wurde wegen ihrer eigenartigen, von den üblichen Diplomen abweichenden Formeln lange als Fälschung angesehen. Sie gilt inzwischen aber, formell wie sachlich, meist als echt – bis auf diverse Verunechtungen, Interpolationen, die Einschiebung Sardiniens etwa, Korsikas, Siziliens, die man in alter Raffsucht offenbar dazugeschwindelt hat. 46
    Der Akt von Reims 816 erfuhr an Ostern 823 noch eine bedeutsame Wiederholung und Ergänzung in Rom.
    Damals nämlich weilte Ludwigs Sohn Lothar

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