Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
zogen es auch andere vor, »lieber nach Sklavenart ihre Treue zu brechen und ihrer Eide sich zu entschlagen, als für einige Zeit ihr Hab und Gut zu verlassen« (Nithard).
Karl aber wollte »das ihm von Gott übertragene Reich« nicht preisgeben, zumal es ja »Gott und sein Vater ihm mit seiner, Lothars, eigener Zustimmung, übertragen hatte«. Mehrmals eilten deshalb Gesandte hin und her, darunter auch Nithard, den Lothar freilich, weil er sich ihm versagte, gleich seiner Güter und Rechte beraubte. War der neue Kaiser ja überhaupt ein Mann, der nur suchte, so Karls Parteigänger, »durch welche Künste er ohne Schlacht Karl betrügen und überwinden könnte«; während Nithards eigener Dienstherr natürlich »aus reiner Gerechtigkeit Frieden« forderte. Jedenfalls standen beide vom Kampf vorläufig ab.
Kaum war es jedoch zu der einstweiligen Einigung mit Karl gekommen, bereitete Lothar jetzt wieder den Krieg gegen Ludwig vor »mit ganzer Seele darauf bedacht, Ludwig durch List oder Gewalt zu unterwerfen, oder was er noch mehr wünschte, ganz zu vernichten«. Ludwig aber, von vielen seines Anhangs verlassen und verraten, mußte nach Bayern zurück, worauf es zu einem Bündnis zwischen ihm und Karl kam. Dieser hatte mittlerweile die Zeit zu kleinen Gemetzeln und großen Gebeten genutzt (in St-Denis, zum Beispiel, in St-Germain), zuletzt in Aachen, wo ihm am Vorabend des »heiligen Osterfestes« 841 aus Aquitanien Gesandte wunderbarerweise »eine Krone und allen königlichen Schmuck sowie gottesdienstliche Geräte« überbrachten und, ein weiteres Wunder, »soviel Pfund Gold und solche ungeheuere Menge von Edelsteinen unversehrt«, obwohl doch »da überall Beraubung drohte«(!), ohne Zweifel »eine besondere Gnade«, »ein besonderer Fingerzeig Gottes« (Nithard).
Wer von beiden, Karl oder Ludwig, wen zu Hilfe rief, weiß man nicht, da sich die Quellen widersprechen. Doch waren beide endlich »vereint wie in brüderlicher Liebe so durch ihre Heerlager« (Annales Bertiniani) – eine gloriose christliche Verschmelzung. Auch hatte jeder der drei in diesem steten Hinundher mit wechselnden Fronten, Huldigungen, Schwüren die schwankenden Großen durch Gewalt, Geschenke, durch Versprechungen und Drohungen weichzumachen, in Pflicht zu nehmen, aufzuwiegeln gesucht, wobei unter diesen hochadeligen Katholiken Treueide bereits wohlfeil waren »wie Brombeeren« (Mühlbacher).
Dann aber schlug Ludwig der Deutsche am 13. Mai 841 auf dem Ries die schwäbischen Parteigänger Lothars schwer. Der größere Teil der Besiegten kam auf der Flucht um (– nein, wie das alles so »papieren« klingt! So floskelhaft geläufig! Man muß das Schreien, Stöhnen, Flennen hören, das furchtbare Verstummen, muß das Krepieren sehen, das letzte tödliche Entsetzen ...) Und schon am 25. Juni 841 die noch viel blutigere und auch schon deshalb wohl als Gottesgericht aufgefaßte Schlacht von Fontenoy (Fontanetum) bei Auxerre (vorwiegend, wie seit langem freilich bei den Franken, eine Reiterschlacht). Katholiken stachen Katholiken, Franken Franken ab, Verwandte Verwandte; wobei in Lothars Gefolge mit »ungeheuren Schätzen« und drei Gesandten von Papst Gregor IV. der Ravennater Erzbischof Georg sich befand, der Karl den Kahlen in sein Bistum schleppen, ihm die Zwangstonsur verpassen wollte (auf der Flucht aber gefangen genommen und angeblich übel traktiert worden ist). 9
Die Schlacht von Fontenoy oder »Wohin Gottes Fügung die Sache lenken würde ...«
Vor dem Gemetzel hatte Gesandtschaft um Gesandtschaft die jeweils andere Seite aufgesucht, hatte man den Herrn, die Kirche, die Christenheit beschworen, auch, wie längst üblich, »Gutachten« des Klerus eingeholt, »um willig da zur Hand zu sein, wohin Gottes Fügung die Sache lenken würde«.
Wir besitzen einen ausführlichen Bericht über das von allen Parteien gut bezeugte christ-katholische Bruder-Treffen (eine der sehr seltenen offenen Feldschlachten der frühmittelalterlichen Geschichte) durch Nithard, im zweiten Buch seiner Historiae. Er hat selbst auf Karls des Kahlen Seite mitgeschlachtet, ja, »mit Gottes Beistand nicht geringe Hilfe geleistet ...«
Gleich nach Vereinigung ihrer Streitmacht hatten Ludwig und Karl einander »alle die Leiden«, »diese trostlosen Zustände« durch Lothar geklagt und diesem dann durch Boten eindringlich vorgestellt, »daß er des allmächtigen Gottes eingedenk seinen Brüdern und der gesamten Kirche Gottes Frieden gewähre ..., andernfalls könnten
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