Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Soldateska u.a. die Vereinigung von Ludwig und Karl bei Koblenz hatte verhindern sollen. Und bald ging auch Karls »des Großen« Sohn Drogo, der Bischof von Metz, der sich Lothar angeschlossen und dessen Hofkapelle geleitet, zum Feind über.
Die verbündeten Könige trafen sich in Straßburg (einst Argentoratum genannt) und leisteten dort die berühmten, von Nithard wörtlich tradierten Eide. Sie schworen einander »Aus Liebe zu Gott und zu des christlichen Volkes und unser beider Heil« am 14. Februar 842 in feierlicher Form einen Beistandspakt, Ludwig in romanischer, Karl in deutscher (fränkischer) Sprache – das älteste altfranzösische Sprachdenkmal und eines der ältesten Zeugnisse des Althochdeutschen (die offizielle Sprache, die Sprache für Staat, Kirche, Literatur war im ganzen christlichen Abendland das Lateinische; die deutsche Sprache, »Thiudisca«, galt als »barbarisch«).
Altfranzösisch hört sich das so an: »Pro Deo amur et pro Christian poblo et nostro commun saluament ...« ...« Und deutsch oder althochdeutsch (die Quellen nennen das aus verschiedenen Dialekten bestehende Germanische lingua theotisca, daher das Wort »deutsch«): »In Godes minna ind in thes Christianes folches ind unser bedhero gealtnissi ...« Zuvor hatten beide Könige zu den versammelten Kriegern viel von brüderlicher Liebe geredet, christlicher Gesinnung, »Erbarmen mit dem christlichen Volke«, überhaupt vom gemeinsamen Besten, natürlich auch von Gottes Barmherzigkeit, dem Gericht des Allmächtigen etc. Und dazwischen, schön in Salbungsvolles gehüllt, wurde vor den beiderseitigen Heergenossen der böse Bruder bezichtigt, »unsere Völker mit Brand, Raub und Mord zugrunde« zu richten. 13
Immer mehr Große verließen Lothar. Ludwig und Karl zogen von Straßburg getrennt nach Worms, trafen sich hier knappe zehn Tage später und marschierten, nachdem sie alle beide »den Gau Wormsfeld geplündert« (Annales Xantenses), nach Mainz, wo sie Ludwigs ältester Sohn Karlmann noch mit bayerischen und alemannischen Haufen verstärkte. Darauf wandten sie sich wieder getrennt rheinabwärts und vereinigten ihre Streitmacht in Koblenz. Dort hörten sie in der Kirche des hl. Kastor eine hl. Messe und setzten dann rasch über die Mosel, indes Erzbischof Otgar von Mainz floh, Lothar über Aachen – wo er den ganzen kaiserlichen Schatz zusammenraffte, auch »den von St. Marien« mitgehen ließ (Annales Bertiniani) – und Châlons nach Troyes, wo er am 2. April 842 das heilige Osterfest feierte, ehe er nach Lyon weiterzog.
Das Land Lothars brandschatzend, rückten Ludwig und Karl nach Aachen vor. Und dort ließen sie sich von dem zahlreich versammelten Klerus gleichsam »wie durch Gottes Wink« bescheinigen, wie selbstsüchtig, meineidig, korrupt ihr katholisches Bruderherz Lothar war. Wie er – nicht sie zusammen! – »seinen Vater vom Reich vertrieben, wie oft er durch seine Herrschsucht das christliche Volk eidbrüchig gemacht, wie oft dieser selbe die dem Vater und den Brüdern geleisteten Eide gebrochen, wie oft er nach des Vaters Tod seine Brüder zu enterben und zu verderben gesucht habe, wie viel Mord, Ehebruch, Brand und Schandtaten jeder Art die gesamte Kirche durch seine ruchlose Habgier erduldet habe, auch behaupteten sie, er besitze weder die Fähigkeit den Staat zu regieren, noch könne man eine Spur von Wohlwollen in seiner Regierung entdecken. Aus diesen Gründen, erklärten sie, habe er nicht unverdient, sondern nach dem gerechten Urteil des allmächtigen Gottes, zuerst vom Schlachtfeld und dann aus seinem Reich weichen müssen. Und sie waren alle einmütig der Ansicht und stimmten darin überein, daß Gottes Strafe ihn wegen seiner Sünden ausgestoßen und daß sich sein Reich in rechtmäßiger Weise seinen Brüdern als den Besseren zur Herrschaft ausgeliefert habe« (Nithard).
Doch wären sie keine Pfaffen gewesen, hätten sie damit den Königen gleich eine »Regierungsvollmacht« gegeben. Hätten sie ihnen alles zur Herrschaft ausgeliefert, ohne sie erst öffentlich zu fragen, »ob sie das Reich nach Art des verjagten Bruders oder nach dem Willen Gottes regieren wollten.« 14
Gottes Wille aber ist ihr Wille! Immer und überall. Nichts sonst. (Oder hörte man je etwas anderes von Gott als von Päpsten und Bischöfen?!)
Von einer merkwürdigen Meinung alter und neuer Historiker
Lothar geriet noch mehr in Bedrängnis. Man fiel massenweise von ihm ab, brach alte Treueide, schwur neuen Herren neue und
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