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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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sie ohne Zweifel aus Gottes Hand Beistand erhoffen«; was Lothar, von Aachen nach Aquitanien eilend, allerdings als »wertlos« abtat. Unter mancherlei Botschaften, frommen wie forschen, bewegte man sich aufeinander zu, allenthalben strapaziert durch Weglänge, Pferdemangel und Kämpfe. Doch wollte man »lieber jedes Elend«, sogar »den Tod« ertragen, als seinen »ruhmvollen Namen« verlieren.
    So ging's gleichwohl mit »Hochsinn« und »in Eilmärschen fröhlich vorwärts«, bis man bei Auxerre auf einander stieß. Wieder wechselten Gesandte die Fronten, und die Verbündeten bestanden darauf, wenn man einander schon absteche, so ja recht christlich. Ergo: »zuerst unter Fasten und Beten Gott anrufen, dann aber ... ohne alle Täuschung und Hinterlist zum offenen Kampf zusammentreffen ...« Eine saubere Sache.
    Beide Heere änderten noch einmal die Position und sandten sich bei Fontenoy en Puisaye neue Gruß- und Beschwichtigungsworte. Ludwig und Karl erinnerten Lothar an »ihre Stellung als Brüder«, an »die Kirche Gottes und das ganze christliche Volk«. Und auch Lothar ersuchte um »Waffenruhe«, wobei er mehrere seiner Großen eidlich versichern ließ, er wolle dadurch bloß – das übliche christliche Geschwätz – »das allgemeine Beste, das Wohl der Brüder sowie des gesamten Volkes, wie es die Gerechtigkeit unter Brüdern und Christi Volk fordere«. Tatsächlich erwartete er nur noch Pippins II. Heerhaufen aus Aquitanien. Am 24. Juni treffen sie ein, am 25. geht es »zum Gerichte des allmächtigen Gottes«.
    Ein »Gottesgericht« versprach von vornherein einiges. So sollen auf Lothars, des Besiegten Seite, gewiß sehr übertrieben, 40000 Mann gefallen sein. Doch kostete auch die verlustreiche Überraschungsattacke seiner Gegner am frühen Morgen mit Tausenden von Reitern enorme Opfer. Und dies in einem Waffengang, der ohne unmittelbare Wirkung blieb. Allerdings: die Reichseinheit war unwiederbringlich verloren; ebenso für lange jede Hegemonie im Abendland. Denn das Kaisertum dominiert nun nicht mehr die Könige; Kaiser und König sind gänzlich gleichrangig.
    Es ist sozusagen die Geburtsstunde des »Nationalstaates«. Und bekanntlich führten die Nationalstaaten eher häufiger Krieg, zumindest in meist viel größeren Dimensionen – bis heute. Bereits Fontenoy, ihr grandioser Geburtstag, brachte allen furchtbare Verluste, zumal auch der fränkischen Führungsschicht. Die »Jahrbücher von Fulda« sprechen von »einem Blutbad auf beiden Seiten, wie sich niemals unsere Zeit bisher solcher Verluste beim fränkischen Volk erinnert«. Und Jahrzehnte später sieht Regino von Prüm in dieser Metzelei die Ursache für die Schwäche des spätkarolingischen Imperiums, sieht er der Franken »glorreiches Heldentum« nicht mehr recht fähig zur Verteidigung, »geschweige zu einer Erweiterung des Reiches«.
    Das war das Schlimmste: nicht andere zerfleischen, Slawen, Heiden, Sarazenen! So stört einen Zeitgenossen die »für alle Christen bejammernswerte Bürgerschlacht« (omnibus christianis lamentabile bellum), weil das Schwert der Franken, »einst allen anderen Nationen furchtbar, in seinen eigenen Wunden« gewütet. Das war's. Und sollte doch, echt christlich, evangelisch, in den Wunden anderer wüten! Tatsächlich aber massakriert man Nichtchristen wie Christen, besonders freilich diese, fort und fort – bis heute. Bereits seinerzeit indes bekennt ein Mitkämpfer im Heer Lothars, der in vorderster Schlachtreihe kämpfende Angilbert: »Niemals war ein böseres Morden, nie selbst auf dem Feld des Mars, / Nie ward je der Christen Satzung durch ein Blutbad so verletzt.« In Wirklichkeit jedoch war das bereits jahrhundertelang so,
im Wesentlichen,
und blieb es.
    Auch die Heuchelei.
    Denn am Ende der Abschlachtung blühten sogleich die erbaulichsten christkatholischen Gefühle hervor. »Überall wurden die Flüchtenden niedergehauen, bis Ludwig und Karl, von heißer Frömmigkeit getrieben, dem Blutvergießen Einhalt geboten« (Annales Bertiniani). Und nun feierten die Sieger den Tag des Herrn, die hl. Messe, und »die Könige selbst hatten Erbarmen mit dem Bruder«, von dem sie freilich keine »ungerechten Absichten« erhofften! Vielmehr Verbundenheit »in wahrer Gerechtigkeit«, »in wahrer Treue«. Und selbstverständlich stellten die Bischöfe noch auf dem Schlachtfeld einmütig fest: »die Verbündeten hätten allein für Recht und Billigkeit gekämpft und dieses sei durch Gottes Gericht klar bewiesen; daher

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