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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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französische Geschichte bahnt sich an, Nationen beginnen aus älteren Völkerschaften, aus den Bewohnern bestimmter Länder hervorzuwachsen, das pränationale Stammesbewußtsein wird schließlich – besonders, bezeichnenderweise, durch das »gemeinschaftsbildende«, alle Waffenpflichtigen verschiedener Stämme und Regionen einigende Heer – zum Nationalbewußtsein. Wie denn das Aufkommen auch anderer nationaler Königreiche, in England etwa, Spanien, Skandinavien, Polen, Böhmen, Ungarn, politisch das Frühmittelalter prägt. Freilich, im ganzen 9. Jahrhundert denkt man noch nicht in völkischen Kategorien, fühlt sich noch kein Volk als »nationale Einheit«, noch kein Mensch als »Deutscher«, »Franzose«, vielleicht noch nicht einmal im 10. Jahrhundert, wenn es auch die unmittelbare Übergangsphase ist.
    Diese Aufteilung des karolingischen Reiches, der während des 9. Jahrhunderts weitere Teilungen, doch auch neue Vereinigungen folgten, war ein durch die Verhältnisse erzwungener Kompromiß. Sie beendet zunächst zwar das gegenseitige Übereinanderherfallen, führt aber auch dazu, daß das Kaisertum seine Vormachtstellung gegenüber dem Papsttum allmählich verliert, daß die Dreiteilung in Deutschland, Frankreich, Italien sich vorbereitet, und daß die frühere Einheit – die Episode unter Karl dem Dicken (S. 278 ff.) beiseite – nie mehr zurückkehrt. 17

Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

    Ludwig II. der Deutsche (843–876) wird zwar in zeitgenössischen (westfränkischen) Quellen wiederholt »rex Germanorum« und »rex Germaniae«, sein Herrschaftsgebiet – von der eigenen Kanzlei als »orientalis Francia« bezeichnet – bei den Autoren schon seinerzeit nicht selten »Germania« genannt, sein Beiname »der Deutsche« jedoch erst seit dem 19. Jahrhundert üblich.
    Als dritter Sohn Ludwigs I. des Frommen um 805 geboren, hatte der zweite Ludwig seine Jugend am Hof verbracht und 817 in der Ordinatio imperii unter der Oberhoheit des Kaisers als Teilkönigtum Bayern erhalten; dazu, wie der Vater seinerzeit bestimmte, »die Karantanen, Böhmen, Avaren und Slaven, die im Osten Bayerns wohnen ...« Da der etwa Zwölfjährige zu jung ist, selbst zu regieren, tut er dies tatsächlich erst knapp zehn Jahre danach. Doch spätestens seit 830 urkundet er als »Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern«. Hauptsächliche Ziele seiner Politik: die Ostexpansion und die Ausdehnung im Karolingerreich.
    Während des Winters bevorzugt er Regensburg als Residenz, wo er gern Hoftage und Reichsversammlungen abhält, während des Sommers Frankfurt, wo er auch das Salvator-Stift einrichtet. Außer dem Kernland, der eigentlichen Machtbasis und ihm durch seinen »Heerführer«, den Grafen Ernst, gesichert – bis zu dessen Sturz 861 »unter des Königs Freunden der erste« (Annales Fuldenses) –, beherrscht der Monarch auch Schwaben, Rhein- und Mainfranken, Thüringen und Sachsen, also die meisten germanischen Reichsvölker.
    Ludwig II. der Deutsche war keiner der »bedeutenden« Regenten, doch der bedeutendste unter seinen Brüdern.
    Schon durch seine lange Regierungszeit wirkt er gleichsam stabilisierend auf das ostfränkische Reich, indem er, in den blutigen Spuren seines »großen« Ahnen Karls I. wandelnd, fast unentwegt Krieg gegen die Slawen in Böhmen und Mähren sowie im Nordosten führt. Dabei kooperiert er eng mit dem Episkopat, wie freilich auch die andren Karolingerfürsten, die alle den hohen Klerus an der Erfüllung ihrer Interessen, dem Verwirklichen ihrer Ziele beteiligen, wodurch sie ihn verstärkt abhängig machen, aber auch selber abhängig werden, immer mehr verkirchlichen, mehr als je etwa die Merowinger.
    Ludwig der Deutsche galt geradezu als Lenker und Verteidiger der Kirche. Er kümmerte sich um die Mission in Mähren, Böhmen, im Norden, von Bremen und Hamburg bis Schweden, wo man das Christenidol allerdings nur beim Versagen der älteren Götter angerufen, sozusagen bloß als Aushilfsgott, als eventuellen Nothelfer anerkannt hat. Ludwig berief Synoden ein, nahm daran teil, und erst seine Bestätigung machte ihre Beschlüsse rechtskräftig; übrigens die einzige Gesetzgebung des ostfränkischen Reiches, aus dem zu seiner Zeit sonst nur von einem staatlichen Gesetz berichtet wird.
    Bis zuletzt übt der Bayer den entscheidenden Einfluß auf die Besetzung der Bischofsstühle aus, die er bevorzugt selbstverständlich seinen Günstlingen gibt. So macht er 842. den (reich mit römischen

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