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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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wie als Könige anzusehen, denen wir mehr widerstehen und entgegentreten müssen als ihnen unterworfen sein.«
    War Nikolaus I., den manche – nach rund hundert Vorgängern – den ersten Papst nennen, ein Theokrat, ein Vorläufer papaler Weltherrschaft? Unter den Interpreten ist dies kontrovers. Doch eine Art Brücke zu Gregor VII., zu Innozenz III. bildet er, mögen auch viele der einschlägigen Zitate keineswegs originell, die Briefe überdies zumeist von Anastasius geprägt worden sein, nicht formal nur, auch gedanklich; indes gleichfalls nicht unumstritten. 18
    Feststeht das herrische Gebaren dieses Papstes, sein betont monarchisch-autoritärer Stil. »Den Königen und Tyrannen gebot er«, schreibt Abt Regino, »und er beherrschte sie durch sein Ansehen, als ob er der Herr des Erdkreises (dominus orbis terrarum) wäre.« Tatsächlich profitierte der prätentiöse Pontifex von der fortwährenden Aushöhlung kaiserlicher Macht, der Schwäche der Karolinger, die ihm mehr als alles das Papsttum weiter zu stärken, zu festigen erlaubte, ihm ermöglichte, wie man auf katholischer Seite schwärmt, es »auf die stolze Höhe einer Weltstellung emporzuführen, die alle anderen Gewalten weit hinter sich ließ«, während für die Magdeburger Centuriatoren damit die Herrschaft des Antichrist über die Kirche beginnt.
    Nikolaus, verherrlicht und gefürchtet, beanspruchte kraft der Autorität der Apostelfürsten Petrus und Paulus (vgl. bes. II Kap. 2.) die höchste Gewalt und die Unumstößlichkeit seiner Urteile. Nichts geht über seine Würde, nichts über seine Rechte hinaus, ja, nichts erreicht sie auch nur. Überall versucht er die Suprematie seines Amtes durchzusetzen. Alles auch bloß annähernd Einschlägige ambitionierter Vorgänger sammelt er dafür in häufiger Wiederholung, was früher nur sporadisch anklang, faßt er zum Chor zusammen, wenig originell zwar, doch imposant. Selbst das mit Imprimatur erschienene Handbuch der Kirchengeschichte aber muß zugeben, »eine zentrale Kirchenregierung, wie Nikolaus sie anstrebte, kannte das traditionelle Kirchenrecht nicht – sie wurde als System erst von Pseudo-Isidor entwickelt«. Eine phantastische Fälschung also präfabriziert die Zukunft.
    Indes, Nikolaus behauptet, propagiert nicht nur, er handelt auch entsprechend, drängt auf Verwirklichung. Und seine Grundsätze, Forderungen, Verweigerungen, seine Proteste gegen jede Einmischung der Kaiser, der Könige in die Kirche, seine Ablehnung alles Landes- und Staatskirchentums bedeuteten, so Katholik Seppelt, »unermüdlichen, erbitterten Kampf«. 19
    Zunächst griff Nikolaus gegen die Metropoliten durch. Denn, behauptet er: »Der Papst hat das Recht, die Angelegenheiten aller Kirchen zu regeln, alle Synoden dürfen nur auf seine Anordnung hin einberufen werden, die Metropoliten unterstehen seiner Autorität; wo das Kirchenrecht schweigt, kann er neues Recht setzen.«
    Die Metropoliten freilich wollten davon wenig wissen. Schon gar nicht der Erzbischof Johannes von Ravenna (850–861), einer Stadt, die als Residenz der Kaiser, der Gotenkönige, der Exarchen seit Jahrhunderten eine Rivalin Roms und nächst diesem Italiens mächtigste Metropole gewesen ist. Seine Kirchenfürsten hatten von Kaiser Konstans II. im Jahr 666 ein Autokephalieprivileg erhalten, doch wieder verloren; sie hatten dann mit karolingischer Hilfe vergeblich einen eigenen Kirchenstaat erhofft, kurz, der Streit um Einfluß, Territorialbesitz, um Unabhängigkeit von Rom riß nicht mehr ab. Er verschärfte sich vielmehr, als der kampfeslustige Erzbischof Johannes den ravennatischen Stuhl bestieg, zumal sein Bruder, der dux Georg, das weltliche Haupt im dortigen Bereich, kräftig mit ihm kooperierte. Oberhirte Johannes erstrebte Selbständigkeit, die Landesherrschaft, beanspruchte päpstliche Güter, entzog sie, erpreßte Abgaben, entließ nach Rom tendierende Kleriker, suchte den Verkehr seiner Diözesanbischöfe mit dem Papst ebenso zu verhindern wie die Geschäfte von dessen Beamten, die er beschimpfte. Schließlich wurde ihm jede Menge von Bedrückungen, Übergriffen angelastet, natürlich auch »Ketzerei«, so daß Nikolaus, der den Widerstand des Bischofs »wie ein Spinngewebe verachtete«, den vom Kaiser Gedeckten dreimal vorlud, dann Suspension samt Kirchenbann über ihn verhängte. Doch erst als auch der Kaiser den nunmehr Exkommunizierten mied, konnte sich Nikolaus durchsetzen, Johannes zur Unterwerfung, zu vielen Auflagen und nicht zuletzt zur

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