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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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des allgemeinen Banns«, von »dem Schwert apostolischer Rache«, das unheilbar »von der Fußsohle bis zum Scheitel verwunde«. Immer wiederkehrt sein schon zitierter Leitsatz aus der Bibel: »Verflucht der Mensch, der sein Schwert vom Blut zurückhält.«
    Allerdings werden viele Termini aus der Militär-und Kriegssprache sowohl im wörtlichen wie spirituell übertragenen Sinn verwendet, und manchmal bleibt die Deutung unklar, schwankend, vielleicht auch bewußt schillernd. Natürlich erklärt Gregor den Waffengebrauch contra justitiam für Sünde, den zur Verteidigung des Rechts aber für erlaubt, zumal den zur Verteidigung der göttlichen Rechtsordnung. 21

Wie der hl. Gregor die bisherige Rangordnung verkehrt

    Was er freilich unter Recht, Gerechtigkeit, göttlicher Rechtsordnung versteht, ist nichts andres als das, was ihm nützt, als der Vorteil für Papsttum und Kirche. »Whatever was favourable to the Roman Church System, came within the definition of justitia« (Emerton). Oder wie McCabe von Gregor sagt: »Es kümmert ihn nicht im geringsten, ob der Anspruch eines Mannes auf ein Königreich gerecht oder ungerecht war, er nahm das geweihte Banner des Papstes an und wurde sein Vasall.« Nicht das gegenwärtige Recht interessierte deshalb Gregor, sondern das Gegenteil, nicht die Aufrechterhaltung der herrschenden Rechtsordnung, sondern deren Umsturz. Ergo war, was er Unrecht nannte, »Jahrhunderte hindurch anerkanntes Recht« (Hauck). 22
    Dieser schlaue Fuchs wußte selbstverständlich, daß er das Unterste zuoberst kehrte. Daß er im Grunde die Vergangenheit nicht brauchen konnte, nicht das bestehende Recht von Staaten und Völkern, daß er etwas ganz anderes wollte: das Papsttum nicht als gleichberechtigten Partner oder gar Diener der Kaiser und Könige, sondern als ihren Herrn. Deshalb polemisiert er so erpicht gegen das Herkommen. »Falls Du dagegen«, belehrt er Bischof Wimund von Aversa, »auf das Herkommen (consuetudinem) verweist, so ist dazu anzumerken, daß der Herr sagt: ›Ich bin die Wahrheit und das Leben.‹ Er sagte nicht: ›Ich bin das Herkommen‹, sondern ›die Wahrheit‹. Und gewiß ist, um ein Wort des heiligen Cyprian zu verwenden, jedes Herkommen, sei es auch noch so alt, noch so verbreitet, der Wahrheit in jedem Fall hintanzustellen und eine Gewohnheit, die im Widerspruch zur Wahrheit steht, zu verabscheuen ...«
    Hier läßt der Mann einmal die Katze aus dem Sack. Sonst steht da kaltschnäuzig das Gegenteil, erklärt er Heinrich IV., er griffe »auf die Verfügungen der heiligen Väter zurück, ohne etwas Neues, ohne etwas aufgrund eigener Erfindung zu bestimmen«. »Deren Satzungen«, schreibt er auch dem Bischof Heinrich von Lüttich, »bewahren und verteidigen wir, wenn wir in kirchlichen Angelegenheiten ein Urteil gefällt haben oder fällen; nicht Neuerungen oder Unsriges (nova aut nostra) tragen wir vor, vielmehr befolgen und führen wir aus, was von ihnen durch Einwirkung des Heiligen Geistes vorgetragen worden ist.«
    Seine Gegner unter den Prälaten, die Andersdenkenden, beschimpft, verketzert, verteufelt er. Von ihnen sagt er, den Spieß umkehrend, sie geben, vom Satan verführt, nicht nur das Gesetz Gottes auf, sondern lassen nicht ab, es zu bekämpfen und mit aller Gewalt umzustoßen.
    In Wirklichkeit stößt er um, jedenfalls, und darum allein geht es hier, die bisherige, die frühere Rangordnung. Denn er will anstelle der Fürsten, will über sie herrschen, weshalb er Herzöge und Könige schmäht, herunterputzt, sie, in einem Schreiben an Bischof Hermann von Metz, des Hochmuts, Raubes, der Treulosigkeit, des Mordes bezichtigt, »Verbrechen fast jeglicher Art, auf Betreiben des Teufels, des Fürsten der Welt«; und behauptet, sie wollten mit blinder Gier, mit unerträglicher Anmaßung die Menschen beherrschen – genau das, was doch (auch) er will! 23
    Alle Primatansprüche der Päpste aber bildeten sich erst in langen Zeiträumen heraus und wurden dabei immer mehr gesteigert, kannten Ehrgeiz und Machtgier dieser demütigen Diener Christi, dieser »Knechte der Knechte Gottes«, zuletzt ja kaum noch Grenzen. Zunächst aber hatten sie länger als zwei Jahrhunderte nie auf einer Einsetzung durch Jesus bestanden, hatten sie nie darauf gepocht, Nachfolger Petri zu sein. Vielmehr kannte die ganze frühe Kirche keinen durch Jesus gestifteten Ehren- und Rechtsprimat des römischen Bischofs. Vielmehr steht ein solcher Primat im strikten Widerspruch zur Lehre aller alten

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