Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
fremd. Vielseitigkeit fremder als alles. Er hatte nur ein Ziel, fast ihrer aller Ziel: Macht, Macht, Macht. Doch will er mehr Macht, mehr als sie alle, will Weltmacht, und will, inmitten der Arena, ganz persönlich, seine Machtvisionen ausagieren, an vorderster Front, an den Brennpunkten gleichsam lauter Sandkastenspiele. Denn, Ironie seines Schicksals, er kam nie dazu. Weder zum Feldzug in den Orient an der Spitze von mehr als fünfzigtausend Haudegen noch nach Spanien als Admiral einer Kriegsflotte, um König Alfons die nötige Räson beizubringen.
Ja, alle sind abtrünnig, verkommen zumal, klagt er mit dem Psalmisten, »keiner tut Gutes, auch nicht ein Einziger«. Gutes geschieht für diesen Heiligen Vater – doch das ist in seiner Kirche häufig so, fast üblich –, wenn das Feindblut spritzt, auch Blut der Christen, selbstverständlich, das spielt keine Rolle, Hauptsache, man stirbt für sie, krepiert zu ihren Gunsten. »Wo ist die Hilfe«, apostrophiert er mit apostolischem Segen Herzog Gottfried von Lothringen am 7. April 1074, »die Du zusagtest, wo sind die Ritter, die Du uns dem heiligen Petrus zu Ehren und zur Unterstützung zuzuführen versprachst?« Ja, wie ein Blutsauger spricht er, wo ist das Kanonenfutter, sozusagen, das Schlachtvieh?! Und nur wenn der Herzog »dem heiligen Petrus« – denn um den geht es, nicht um den Papst! – sein Versprechen hält, dann »werden wir Dich wie einen innigst geliebten Sohn halten, und Du wirst in uns, wenn wir auch unwürdig sind, einen zärtlichen Vater haben«. 20
Dieser Papst war verliebt in den Krieg, und es ist kaum ein Zufall, daß eines der ältesten ausführlicheren Zeugnisse, wenn nicht das älteste derartige Dokument überhaupt für den Glauben an Gregors VII. Hilfe aus dem Himmel, sich gerade auf den Krieg bezieht: nämlich auf den Glauben der Christen, der Papst würde vom Himmel herab in der Schlacht seinen Anhang schützen und den Erzengel Michael samt allen elysischen Heeren zu Hilfe senden.
Hildebrand, der ja schon unter seinen Vorgängern eine immer bedeutendere Rolle spielte, hat auch deren militärische Allianzen mit zustande gebracht. So das folgenschwere Normannenbündnis. So den Kampf gegen Papst Cadalus, wobei er die Römer durch Reden und Geld aufstachelte und dann als Papst selber darüber jubelte, »welche Ehren und Triumphe« man bei der Auskämpfung jenes Streites erlangt habe. Als Archidiakon der römischen Kirche verwaltete er den Kirchenstaat und kommandierte, so die wohl zugespitzte Bemerkung Landulfs von Mailand, »im Lateranpalast residierend, die römische Miliz wie ein Feldherr«.
Carl Erdmann stellte das kriegerische Engagement Hildebrands in seiner vorpäpstlichen Zeit, zumal das unter seinem unmittelbaren Vorgänger, zusammen – kaum eine schmutzige Sache, in der nicht die Finger des künftigen Heiligen steckten, ob dies nun die Gewinnung Erlembalds für die militärische Leitung der Pataria in Mailand betraf oder den Krieg des Grafen Ebolus von Roucy gegen die Muslime in Spanien »zu Ehren des heiligen Petrus« oder den englischen Eroberungszug 1066 unter Wilhelm von der Normandie, dem er später selbst schreibt: »Du weißt mit welchem Eifer ich dafür gearbeitet habe, daß Du die königliche Würde erlangtest. Dafür wurde ich von manchen Brüdern geschmäht, die es tadelten, daß ich mich so sehr für ein solches Blutvergießen bemühte.«
Wilhelms Raubzug, in dem er mit der Fahne des hl. Petrus an der englischen Küste erschien, wurde zum heiligen Krieg erklärt. Doch die gleiche, selbstverständlich kirchlich gesegnete Fahne hatte man auch zur Anheizung der Kämpfe in Mailand dem Erlembald übergeben. Und das gleiche päpstliche Zeichen hatte der normannische Graf Roger beim Beginn der Eroberung Siziliens von Alexander erhalten. Und Freund wie Feind wußten, daß hinter dem Papst Hildebrand stand, daß Hildebrand die Anregungen, die Direktiven gab.
Gregor bekundete von früh an großes Interesse an Waffen und Krieg. Seine päpstlichen Schreiben sind mit entsprechenden Wendungen gespickt. Mehr als jeder andere »Stellvertreter« bedient er sich des martialischen Jargons, beschwört er Schwert und Wurfgeschoß, Wunden und Tod, die militia Christi, militia s. Petri, christiana militia etc. Er spricht von »tüchtigen Soldaten Christi«, den »königlichen Kriegern«, womit er »die heiligen Bischöfe« meint; spricht vom »Schild des Glaubens«, vom »Schwert Christi«, »Schwert des göttlichen Wortes«, »Schwert
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