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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Würden nur nach weltlichem Ruhm ...« – wie die hoffärtigen Könige? Und seine eigene Eitelkeit, Ruhmsucht, sein Größenwahn sind schwer zu überbieten. »Behalte auch im Sinn«, droht er dem »Kleriker« Tedald, von Heinrich IV. 1075 zum Erzbischof von Mailand ernannt, »daß die Macht der Könige und Kaiser und alle Anstrengungen der Sterblichen vor dem apostolischen Recht und der Allmacht des höchsten Gottes« – die erst nach dem apostolischen Recht rangiert – »wie Asche gelten und Spreu«. 24
    Welch impertinenter Pfaffendünkel!
    Doch Gregor VII. war von der fixen Idee beherrscht, die speziell seine Idee war: daß der Papst der Herr der Welt sei. Denn er, der ehemalige Mönch, der so oft die Herrschgier anderer brandmarkte, ist herrschsüchtiger als sie alle. Jedermann soll ihm gehorchen und dienen, Bischöfe und Könige. Der Papst allein soll den Vorrang vor allen haben, den Vorrang und die Vorrechte. Im Grunde verachtet er alle und will von allen geachtet sein.
    Am konzentriertesten prangt sein exorbitanter Größenwahn in dem berüchtigten »Dictatus papae«, in jenen undatierten, aber 1075 entstandenen 27 knappen, ungeordneten Pseudo-Rechtssätzen, die vermutlich Grundlage einer neuen Rechtssammlung sein sollten. Die bezeichnendsten davon:

»VII. Daß es allein ihm (dem Papst) erlaubt ist, entsprechend den Erfordernissen der Zeit, neue Gesetze aufzustellen, neue Gemeinden zu bilden ...
VIII. Daß er allein die kaiserlichen Herrschaftszeichen verwenden kann.
IX. Daß alle Fürsten allein des Papstes Füße küssen.
XII. Daß es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen.
XVIII. Daß sein Urteilsspruch von niemandem widerrufen werden darf und er selbst als einziger die Urteile aller widerrufen kann.
XIX. Daß er von niemandem gerichtet werden darf.
XXII. Daß die römische Kirche niemals in Irrtum verfallen ist und nach dem Zeugnis der Schrift auch in Ewigkeit nicht irren wird.« 25
    Sind diese Diktate auch großenteils aus früheren Texten abgeleitet, vor allem aus Fälschungen, so waren doch die meisten der (hier zitierten) Sätze völlig neu, revolutionär. Gregor, dessen Autorschaft heute unbestritten ist, hat sie aus sich herausgesponnen und dabei sogar die Behauptung von der Erbheiligkeit oder Amtsheiligkeit der Päpste vertreten (23): »Jeder rechtmäßig eingesetzte römische Bischof wird zweifellos kraft des Verdienstes Sankt Peters heilig.« (Die Kirche selber hat allerdings die meisten römischen Bischöfe nicht kanonisiert, wohl aber den nicht rechtmäßig, im Widerspruch sowohl zu alten Vorschriften als auch der neuesten Wahlordnung von 1059 gewählten Gregor VII.)
    Der Papst also, der, ist er kanonisch gewählt, unzweifelhaft heilig wird, darf als einziger alle Urteile aufheben, während sein Urteil niemand widerrufen darf, wie ihn auch niemand richten darf. Er kann sogar Kaiser absetzen, er allein kann kaiserliche Herrscherzeichen verwenden, ihm allein müssen alle Fürsten die Füße küssen. Und solche Pharisäer predigen der Menschheit Demut!
    Sapienti sat.
    Selbstverständlich fehlen für einen derart eskalierenden Überheblichkeitswahn so gut wie alle historischen Belege. Die meisten dieser hypertrophen Dreistigkeiten sind aus weitgehend gefälschten Traditionen abgeleitet, besonders aus Pseudoisidor (V 181 ff!), und wohl eine reichlich überspannte Reaktion Gregors auf den Streit mit dem deutschen König und Episkopat. Nicht von ungefähr hatte er kurz vorher, am 7. Dezember 1074, Heinrich IV. geschrieben, »daß Du dann erst die königliche Gewalt richtig wahrnimmst, wenn Du die Erhabenheit Deiner Herrschaft dem König der Könige, Christus, zur Wiederherstellung und Verteidigung seiner Kirche dienstbar machst«. 26
    Dem König der Könige? Gregor und seinesgleichen! Mit seinesgleichen jedoch kann man nicht immerfort Geschichte machen, nicht über die Jahrtausende. Mit elysischen Gespenstern schon. Das weiß das Gelichter. Ob es selber an Gespenster glaubt, ist dabei ganz unerheblich, solang es die andren daran glauben machen kann.
    Sich unterwerfen wollte Gregor indes nicht nur den deutschen Herrscher, sondern auch andere, am liebsten alle.
    Gregor wollte in der Tat nichts Geringeres, als die gesamte Welt seinem Kommando unterstellen. War ursprünglich der Papst dem Kaiser unter-, dann nebengeordnet, so wollte Gregor nun in rücksichtsloser Verfolgung der päpstlichen Primatgelüste alle Herrscher sich subordinieren, wobei er bevorzugt eben auf Fälschungen zurückgreift. Kaiser und

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