Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
Papst in der Erlöserkirche dem Grab übergeben wurde, entstanden große Unruhe und Lärm beim Volk, und sie drangen wie wahnsinnig auf mich ein; ohne mir Gelegenheit oder Raum zu lassen, etwas zu sagen, etwas zu raten, zerrten sie mich gewaltsam auf den Platz der apostolischen Herrschaft ...«
    Denn zu diesem Platz drängte doch nie ein Papst; nie einer, der dort Platz nahm und dann darauf klebte. Nein, vorher, vorher fühlten und fühlen alle sich dafür zu schwach, zu unbrauchbar, schlicht unwürdig, so scheint es, und sind doch, in aller Regel, nur allzu würdig dafür! Das Zaudern, Zögern, Zieren aber durch die Zeiten, es gehört zu ihrem »guten« Ton, ihrer spießig-plumpen Konklave-Heuchelei. Auch Hildebrand, der sich so beflissen und ellenbogenstark bereits zum Archidiakon hochgedient, hochgedrängt hatte, ganz gewiß in der alleinigen Absicht, Papst zu werden, auch er wollte selbstverständlich die Last nicht tragen, die Last, die ihm, wie er (schon allein deshalb suspekt) so oft behauptet, »– Gott ist Zeuge – gegen meinen Willen«, »gegen meinen Willen und unter Sträuben auferlegt wurde«, »mit Gewalt« (violenter).
    Immer wieder kommt der so Genötigte darauf, allen möglichen Leuten unterbreitet er, »wie ich durch heftiges Drängen der Brüder geradezu gezwungen worden bin, die Last der Leitung der universalen Kirche auf mich zu nehmen«. Aber es führte nur »zu bitterem, innerem Schmerz und überaus gramvollen Ängsten«, und er wünschte seiner Seele »eher die Ruhe der Auflösung in Christus als ein Leben unter solchen Gefahren«. (Und möchte dann doch »Tag und Nacht unter vielerlei Gefahren, ja bis zum Tod, im Weinberg des Herrn arbeiten« – aus purer Verantwortung, purer Regierungsverantwortung!) Jedenfalls, alles ging so schnell wie möglich. »Gefällt es Euch?« »Es gefällt.« »Wollt Ihr ihn?« »Wir wollen.« »Spendet Ihr ihm Beifall?« »Wir spenden Beifall.« So lakonisch das Wahlprotokoll. Für Trauer dürfte da kaum Zeit geblieben sein, am wenigsten bei dem Electus. 17
    Hildebrand war fraglos seit langem sein bester Schrittmacher selbst, der unmittelbare Urheber seiner Erwählung aber kein anderer als Kardinal Hugo Candidus (der Weiße) von St. Clemente. Eine bemerkenswert sinistre, sehr wendige Persönlichkeit, die erst für die Päpste Leo IX. und Nikolaus II. tätig war, dann mit dem deutschen Hof zu Gegenpapst Honorius II. überging, darauf zu Alexander II. wechselte, zu Gregor VII., der ihn schließlich, als er für Gegenpapst Klemens III. (Wibert) in Aktion trat, dreimal exkommuniziert, »Einbläser und Genosse der Häresie« geschimpft hat, »Apostat und Häresiarch«, auf der Fastensynode 1078 erklärend: »ihm nehmen wir jedes bischöfliche Amt, untersagen ihm so das Betreten und die Würde der genannten Kirche sowie aller anderen Kirchen aufgrund eines ewigen und unwiderrufbaren Urteils ...« Unter »Gegenpapst« Klemens III., zu dem immerhin dreizehn Kardinäle überliefen, wurde Hugo zum Kardinalbischof von Palestrina promoviert – nach 1099 verliert sich seine Spur. 18
    Hugo Candidus also empfahl noch während der Beisetzungsfeier für Alexander II. in der Lateran-Kirche Hildebrand als einen schon seit Leos IX. Tagen bewährten, einen »in allen Dingen erprobten Mann«, worauf Kardinäle, Bischöfe, Priester schrien: »Der heilige Petrus hat den Papst Gregor gewählt!« und man diesen gleich in der Kirche St. Petrus ad Vincula inthronisierte. Und er, der Erhöhte, bezeigte seinem »geliebten Sohn«, dem Mitbruder Hugo, dann seine Gunst – bis er ihn ausschloß. Im übrigen verstieß die ganze Prozedur, wie keiner besser wußte als Gregor, erheblich gegen alle Regeln, zumal auch gegen das Papstwahldekret Nikolaus' II. von 1059. 19
    Gregor VII. (1073–1085), bei seiner Berufung bereits über fünfzig, war ein Bauernsohn aus der Toskana, klein, unscheinbar, ja unschön und deshalb von seinen Feinden gehänselt, verspottet. Sein Geist aber war gewaltig und gewalttätig, seine Ausdruckskraft oft geballt, mitunter bestechend. Man braucht da nur ein wenig anzulesen und hat ihn bald ganz, seine Schärfe, Klarheit, Leidenschaft, seine Rachsucht, seinen Haß. Wiewohl voll sturmwindhaftem Ungestüm, zügelt, zähmt er sich doch, wenn auch nur seiner Zwecke, Ziele wegen, wenn auch nur, um letztlich zuzuschlagen, früher oder später unbändig zuzuschlagen, zu vernichten, falls man widersteht, ihm zu widerstehen wagt.
    Geduld kennt dieser Mann nicht. Phantasie ist ihm

Weitere Kostenlose Bücher