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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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allmählich war – für das Papsttum wurden die das nächste, das übernächste Jahrhundert erfüllenden Metzeleien ein riesiger finanzieller Erfolg: durch freiwillige, besonders von Mönchen gesammelte Spenden; durch sogenannte Kreuzablässe, einen der einträglichsten Titel im kurialen Finanzhaushalt, Geldzahlungen, die von der Teilnahme am Kreuzzug befreiten, aber gleichzeitig dem zu Hause Bleibenden dieselben elysischen Wonnen garantierten wie dem Kämpfer. Erfolgreicher noch rollte gleichsam der Rubel durch Zwangssteuern im gesamten Abendland, die man sehr oft betrügerisch für ganz andere Zwecke verpulverte und auch dann noch kassierte, als es gar keine eigentlichen Kreuzzüge mehr gab.
    Doch was tat man nicht alles für sein Seelenheil! Und die Kirche kam dem entgegen. Es war ja so einfach: man zahlte – wenn man Geld hatte –, und das Geldzahlen oder, wie man schließlich spottete, das »Geld-Evangelium« sicherte einem die schönsten Plätze »drüben«, die herrlichsten göttlichen Gnaden, wobei man die Ablaß Vergünstigungen auch auf die Verstorbenen ausdehnen konnte, wenn man wieder zahlte, versteht sich. Ja, alles konnte man haben, konnte das Fegfeuer, die Hölle austrixen, den Teufel überlisten, schlechthin alles ließ sich kaufen: remissio peccatorum, vita aeterna, salus perpetua ..., die Sache wurde »zum einträglichsten aller Handelsgeschäfte«, wurde »ein Rechtsanspruch auf das Himmelreich – das war das Ziel aller Kreuzfahrer, das ihnen die Kirche in Aussicht stellte« (Kawerau). 19
    Im Zentrum der gewaltigen Aufputschrede Urbans II. steht die Behauptung von der Unterdrückung der christlichen Kirche im Osten. Tatsächlich aber hatten sich die Christen im Orient nicht zu beklagen. Sie zahlten weit weniger Steuern als unter den Statthaltern von Byzanz. Sie genossen Kultfreiheit, wurden nicht verfolgt – und als später die Kreuzfahrer kamen, lebten die Christen unter den Türken meist lieber als unter den Franken. Bis zu Kaiser Alexios I. riefen sie auch nie den Westen um Hilfe, wie die Kreuzprediger seit 1095 ständig behaupteten. Zwar ließ der wahnsinnige Fatimidenkalif al-Hakim von Ägypten, der selbst seinen eigenen Glaubensgenossen nachstellte, übrigens Sohn einer Christin war, 1009 auch die Grabeskirche in Jerusalem zerstören. Aber sein Sohn, Kalif al-Tahir, was man freilich verschwieg, baute sie wieder auf! Und wenn Räuberbanden westliche Pilgerzüge behelligten, was selten vorkam, so geschah es doch auch, daß gerade islamisches Militär überfallenen Wallfahren zu Hilfe eilte!
    Auch in anderer Hinsicht nahm es der Papst mit der Wahrheit nicht genau. Zum Beispiel antizipierte er das Nazi-Schlagwort vom Volk ohne Raum, hier allerdings auf die Franzosen bezogen: »Das Land, das ihr bewohnt, von allen Seiten durch Meere und Berge eingeschlossen, beengt die allzu zahlreiche Bevölkerung.« Gewiß, diese Bevölkerung hatte zugenommen, andererseits damals Frankreich aber kaum 15 Millionen Einwohner. Doch kannte der Papst, selber Franzose und auch französisch (nicht lateinisch) zu den Massen sprechend, das wirtschaftliche Elend des Volkes, die Beunruhigung der Reichen durch andauernde Diebstähle und Brandstiftungen, und pries Palästina als ein Land, wo Milch und Honig nur so strömten. Und zum Lockmittel irdischen Lohnes kam eben das des himmlischen, des köstlichsten stets und billigsten. 20
    War es Urban ja nur erwünscht, wenn die Aufmerksamkeit vom eigenen Hader, von der eigenen Misere abgelenkt, wenn das Blutvergießen unter den Christen zugunsten eines noch größeren, lukrativeren eingedämmt, möglichst ganz beendet wurde. Darum rief er seinerzeit auch den Rittern zu: »Ihr, die ihr Witwen und Waisen beraubt, die Unschuldigen unterdrückt, die Kirchen mit Waffengetümmel erfüllt und entehrt und des Rittertums Gürtel nur tragt als ein Zeichen, daß ihr gewohnt seid, nicht die Kirche und ihre Diener, wie ihr gelobt, zu schützen, sondern des Erlösers Schafstall zu verwüsten, euch einander selbst zu zerfleischen ...«
    Wer Privatfehden gegen Gläubige führte, befahl der Papst, soll nun Ungläubige schlagen, wer Räuber war, Soldat werden. Dabei erließ er eine besondere Verfügung zum Schutz des Kreuzfahrer-Gutes, auch einen Kanon über den »Kreuzzugsablaß« und verkündete erneut die »Treuga Dei«, den »Gottesfrieden«, der von Mittwochabend bis Montagmorgen jeder Woche die Verletzung des Friedens unter Christen bei Strafe des Kirchenbannes verbot. Friede den

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