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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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die Franzosen sind das auserwählte Volk, das Gottes Schlachten schlägt, die Gegner nur auszulöschende Teufelsbrut, »heidnische Hunde«. So wird die »Chanson de Roland«, wohl unter dem Einfluß des ersten Kreuzzuges, von einem rabiaten antiislamischen Impetus durchflammt. »Die Christen sind stets im Recht, die Heiden (Muslime) im Unrecht« (I. Short), Leute, die Götzenbilder anbeten. Dagegen brilliert der bretonische Markgraf Roland als »christlicher Achill«, Charlemagne rächt grausam seinen Tod und wird zu weiteren Befreiungsschlägen wider die »Ungläubigen« gedrängt.
    Nicht zuletzt betreten die Mönche die Arena und treiben zum Krieg. »Selbst wenn nur Waisen, kleine Kinder, Witwen und Verfolgte streiten, werden wir über die Teufelsmenschen den Sieg gewinnen.« »Wohlan, Streiter Christi, wohlan, Streiter des hl. Petrus, des hl. Antonius, fürchtet euch nicht und vertrauet auf den Herrn.«
    Peter von Amiens, auch der Einsiedler genannt, ein kleiner ausgezehrter, bislang verborgen lebender Anachoret, dunkelfarbig, mager, verdreckt (damals oft ein Zeichen von besonderer Heiligkeit), der bald nur noch »von Wein und Fisch« lebt und schließlich zum legendären Helden des Ersten Kreuzzugs wird, sieht seine Zeit gekommen. Er schwingt sich auf ein Maultier, zeigt einen Brief, von Christus selbst mit dem Befehl zum Kreuzzug überreicht, hält furiose Hetzreden – und das Volk überschüttet ihn mit Gaben und reißt sich gläubig noch um die Haare seines Esels wie um Reliquien. Denn, berichtet Guibert von Nogent: »In allem, was er tat oder sagte, schien etwas Göttliches zu sein.« 26
    Der päpstliche Aufruf, von vielen anderen Kreuzpredigern unterstützt, fand starken Widerhall; am wenigsten allerdings – bezeichnend genug – im Land des Papstes. Gerade seine nächsten Untertanen dachten nicht daran, unter den »Fahnen des Erlösers« das gefeierte Vorhaben auszufechten. Sie stellten kein Kontingent. Und vermutlich hat Ferdinand Gregorovius recht: »Wahrscheinlich würden Senat und Volk spöttisch gelacht haben, wenn Urban sie dazu aufgefordert hätte.«
    Als dann Fulcher von Chartres, der verhältnismäßig unparteiische, selbständige und hochgelobte klerikale Chronist des Ersten Kreuzzugs, mit den »Pilgern« Italien durchzog, meldete er: »Von Rom kehrten viele, die bis dorthin mit uns gekommen waren, feige nach Hause zurück, ohne weiter abzuwarten.« Doch waren sie wirklich feig? Könnte nicht der Augenschein des Katholizismus in Rom, im Herzen der abendländischen Christenheit, der Anblick der Peterskirche, in der man raubte, das Schwert schwang, mit Steinen warf, Motiv genug für ihre Rückkehr gewesen sein, eine Offenbarung für sie sui generis? 27
    Die Deutschen jedenfalls sind zunächst noch spärlich an der Sache beteiligt. Das Reich selbst hält sich ganz zurück; eine Folge des Krieges zwischen Kaiser und Papst, Staat und Klerus, eines Kampfes, so Ekkehard von Aura, Mönch, Geschichtsschreiber und Teilnehmer an der Kreuzfahrt Welfs I. von Bayern (1101/1102), der »ebensosehr uns den Römern als die Römer uns verhaßt gemacht«. Die Ostfranken, Sachsen, Thüringer, die Bayern und Alemannen sollen anfangs den oft mit Weib und Kind ausziehenden Franzosen gar »unerhörte Torheit« vorgeworfen, sie als »Rasende« verhöhnt haben, weil sie »für Gewisses nach Ungewissem greifend das Land ihrer Geburt eitel verließen«. Dann freilich stießen doch rheinische, schwäbische und andere Rotten dazu.
    Vor allem aber war es, schreibt Guibert von Nogent, »der Abschaum Frankreichs« (faex residua Francorum), der nach Urbans großer Aufputschrede wie verrückt schrie: »Deus lo volt! Deus lo volt!« Den Franzosen, von der priesterlichen Propaganda gereizt, durch die religiösen Schätze des Orients verlockt, die materiellen auch, die exotische Schönheit selbst seiner Damen, konnte es kaum schnell genug gehen.
    »Deus lo volt!«
    »Gott will es!« wurde zum Feldgeschrei, mit dem man sich zum Massenmord anschickte. Und wie bei jedem Mammutwahn raste das Volk vor Begeisterung. »Gemeine« und »Edle«, Männer, ja Frauen ergriffen das Kreuz, erkannten Gottes Stimme und Willen in den papalen Phrasen. Viele weinten, bebten, schäumten – »welch würdiger, lieblicher Anblick«, jauchzt ein geistlicher Chronist – und ließen ein rotes Kreuz sich auf die Schulter heften, das recht anschaulich symbolisierte, was sie sich da aufgeladen. Ein großer Komet erschien, auch Schwerter wollte man am Firmament

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