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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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eure Seiten, rüstet euch und seid Söhne des Gewaltigen! Besser ist es, im Kampf zu sterben ...« etc. etc. Und dafür gibt es dann in diesem Leben Schuldenaufschub, reiche Beute, im folgenden Vergebung der Sünden und unaufhörliche Paradiesesfreude.
    Nach solcher Rede, schreibt Wilhelm von Tyrus, »trennte sich der Mann von dem Weibe und das Weib von dem Manne, der Vater vom Sohne, der Sohn vom Vater«, um nach dem Gebot des Herrn Papstes nun auf ihren Kleidern »das segensreiche Zeichen des lebendigmachenden Kreuzes« zu tragen. 16
    Ausgerechnet »lebendig« machen die Todesprediger! Die Gottesgeißeln! Die Massenmörder in aller Seelenruhe – stets generös im Verheißen von Himmelsgenüssen, in Versprechungen, die sie nie einzulösen brauchten.
    Mit den irdischen Gütern verhielt sich das etwas anders. Gewiß, die Kreuzritter und wer immer da auszog, sie konnten in jenem fernen Land auch solche Glücksgüter gewinnen. Aber zunächst sollten sie auf ihrer »Pilgerfahrt« – passagium generale genannt (im Unterschied zur Wallfahrt des einzelnen, passagium parvum) – erst einmal büßen für ihr böses Leben, für Totschlag und Raub. Und dies taten sie, indem sie wieder totschlugen und wieder raubten, nur eben jetzt in der rechten Weise, mit päpstlicher Billigung, ja, mit Ewiger-Lebens-Versicherung, kamen sie selbst beim Totschlagen um. »Das garantiere ich allen, die sich aufmachen, durch die Macht Gottes, deren Vertreter ich bin«, rief Urban in seiner Rede. Und ähnlich beteuerte er doch auch in seinem Aufruf für Tarragona katalonischen Grafen und Rittern: »Wer auf diesem Feldzug aus Liebe zu Gott und seinen Brüdern fällt, der zweifle nicht, daß er den Erlaß seiner Sünden und das ewige Leben nach Gottes gnädigem Erbarmen finden wird.«
    Neu war auch das nicht. Derartiges kannte man längst; zum Beispiel im Islam, der dem Glaubenskämpfer nach dem Tod den sofortigen Eintritt ins Paradies, in ein sehr sinnlich geschildertes Paradies, verbriefte. So heißt es im Koran, der das irdische Leben als einen »trügerischen Nießbrauch« abtut: »Haltet diejenigen, die für die Sache Gottes getötet worden sind, nicht für tot; vielmehr sie leben bei ihrem Herrn, versorgt und voll Freude darüber, was Gott ihnen von seiner Gnade gewährt hat ...« Schon dem islamischen Blutzeugen wird so himmlischer Lohn verbürgt; beim ersten Blutstrom, der den Körper des »Märtyrers« verläßt, sind diesem seine Sünden vergeben, er ist sicher vor der Grabesstrafe und sieht seinen Platz im Jenseits vor sich. 17
    Die Kirche hat die Kreuzfahrer mit Vergünstigungen förmlich überschüttet, mit solchen, die ihr sehr billig zu stehen kamen, den Beschenkten aber häufig sehr teuer. Zu den wichtigsten dieser Danaergeschenke gehört der Sündenablaß, und zwar ein gänzlicher, »vollkommener«, wie ihn bereits Urban II. in Clermont verkündete (»pro omni poenitentia«); gehören weiter Befreiung von Steuern, von ordentlichen Gerichten, Schutz gegen Verfolgung wegen Schulden vor dem Kreuzzug, automatische Exkommunikation aller, die den Kreuzfahrer selbst oder sein Eigentum antasteten u.a. »Der Kreuzfahrer wurde sozusagen in die familia des Papstes aufgenommen« (Ullmann); in die familia der Todgeweihten. Ave, Caesar ...
    Gelegentlich gaben die Päpste Kreuzzugsablässe auch den Frauen der Kreuzfahrer, den Kreuzpredigern, sogar den Zuhörern der Kreuzpredigten. Bezeichnenderweise ist der Ablaß (absolutio, condonatio, relexatio, remissio, venia) erst eine Erfindung des Hochmittelalters, »eine echte dogmengeschichtliche Neubildung«, »eine schöpferische Antwort auf eine neuartige Konstellation« (Lexikon für Theologie und Kirche). Wurden doch die Ablässe erstmals im 11. Jahrhundert von südfranzösischen und nordspanischen Bischöfen, die ersten vollkommenen Ablässe von den Päpsten Alexander II. (1063) und Urban II. (1095) gewährt, und diese bewilligten den vollkommenen Ablaß eben generös den Kreuzzugsteilnehmern. Wer, beiläufig, eine Definition des Ablasses begehrt, wer theologische Eingebungen, wahrhaft hirnrissige Kombinationen und Konfusionen nicht scheut, möge, will er ganz schlau werden (je länger die Erklärung, desto lichter wird es im Kopf), in einschlägige Lexika sehen. 18
    Ab und zu bekamen auch die Sammler der Kreuzzugsgelder Kreuzzugsablässe. Nicht mehr als recht und billig. Denn die Einnahmen der Kirche wuchsen, je mehr Blut floß. Ja, so nahezu unbegrenzt das militärische Fiasko der »Wallfahrer«

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