Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
dies erste Zusammentreffen der höchsten Führer des Abendlands stand unter keinem günstigen Stern. Denn der einstige englische Bettelstudent Breakspear erwartete hier vom König den Marschall-und Stratordienst (S. 432). Friedrich sollte das Papstroß ein kurzes Stück am Zügel führen und dem Papst beim Absitzen den Steigbügel halten, er sollte für ein paar Minuten seinen Stallknecht spielen.
Dieser Zumutung folgte ein Entrüstungssturm, ein hitziges zweitägiges Verhandeln über Zügel- und Bügeldienste und mehr oder weniger symbolische Bürden zwischen den Häuptern der Christenheit, auch die Präsentation »alter Urkunden«. Denn der Stratordienst wurde bereits durch Kaiser Konstantin dem Papst Silvester geleistet – selbstverständlich nur nach dem gefälschten Constitutum Constantini! Und in diese Fälschung wurde er, durch einen späteren Einschub, erst noch hineingefälscht! Und schließlich, als man ausdrücklich erklärte – unglaubhaft genug Jahrzehnte nach dem Dictatus Papae (S. 254), nach dem berüchtigten vatikanischen Fresko, der Dokumentation von Lothars III. Unterwürfigkeit (S. 435 f.) –, daß die gewünschte Zeremonie nur eine religiöse, keine lehnsrechtliche, keine vasallenhafte Bedeutung habe, wurde der Kaiser knieweich, wurde eine zweite Begegnung inszeniert, als habe die erste nie stattgefunden. Wie zufällig ritt man einander wieder entgegen, und nun erwies der Kaiser dem Papst den ursprünglich byzantinischen Brauch, das officium stratoris, die Pflicht des Pferdeknechts, er führte sein Roß einen Steinwurf weit, hielt ihm beim Absitzen den Steigbügel, und seine Heiligkeit war befriedigt.
Dieser Stratordienst wurde vor 1155 nachweislich nur viermal geleistet, später häufig; als letzter römisch-deutscher Kaiser tat 1530 Karl V. in Bologna Klemens VII. diesen etwas lächerlichen, doch so bedeutsamen und den so demütigen Päpsten so wohltuenden Dienst. – Gerade seit Hadrians IV. Pontifikat wurde auch der schlichte Titel »Stellvertreter Christi« für die Heiligen Väter geläufig. 11
Nach der denkwürdigen Szene von Sutri bot eine Gesandtschaft römischer Bürger und Revolutionäre, eine Abordnung des Senats, der Kommune der jungen Republik, sozusagen aus Volkes Hand mit allem Pomp und Redeschwall Friedrich die Kaiserkrone an – gegen Anerkennung der städtischen Privilegien und Zahlung von 5000 Pfund Gold.
Der Feudalist aus Schwaben wies sie brüsk zurück; berief sich in beinah geschliffener, vermutlich von seiner Kanzlei verfaßten, jedenfalls nie mit seinem unpolierten Lorcher Mönchslatein möglichen Rede auf die Tradition, die Politik des Adels und der Stärke. »Nicht nackt ist das Kaisertum uns zugefallen«, sagte er, »nicht durch irgendjemandes Verleihung«, sondern »unsere göttlichen Fürsten Karl und Otto«, die beiden »Großen« also, haben es »durch Tapferkeit erobert«, haben Rom samt Italien »den Griechen und den Langobarden entrissen«. Anders gesagt: geraubt. Von früheren Räubern, natürlich. Wie diese wieder von früheren. Woraus dann Recht resultiert. Staatsrecht. »Ich bin dein rechtmäßiger Eigentümer«, apostrophierte er (oder für ihn Onkel Otto, der Bischof) die Roma. »Mag, wer es kann, der Faust des Herkules die Keule entreißen ... Noch ist die Hand der Franken und der Deutschen nicht erlahmt.«
Ein paar markige Kaiser- oder Kirchenfürsten-Sätze machen hier das – im doppelten Wortsinn – praktische, sehr praktische Fundament der Geschichte deutlich: das Faustrecht! Wie schändlich immer das die Geschichtswissenschaft schönt. Denn gewiß ist militärische Macht, das heißt die Gewalt, der Krieg, nicht nur, wie man schrieb, ein Grundanliegen staufischer Reichsideologie, sondern des ganzen – doch so christlichen! – Mittelalters, ja, das beherrschende Geschichtsprinzip überhaupt. Das Verbrechen des Krieges, von den mehr oder weniger kaschierten Verbrechen des Friedens jeweils vorbereitet, das ist der kriminelle Kreislauf dessen, was wir Historie, politische Geschichte nennen, im wesentlichen jedenfalls, in Antrieb wie in Zielsetzung – die eklatantesten Exempla: jedes Weltreich für sich.
Da zu befürchten war, Rom werde dem König die Tore verschließen, riet ihm der Papst, heimlich St. Peter und die Leonina, auf die Hadrian beschränkt war, durch ausgewählte Truppen besetzen zu lassen, was in der Morgendämmerung des 18. Juni 1155 geschah. Bevor Friedrich dann die Basilika betrat, gelobte er feierlich in einem kleinen
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