Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
wollte sie nicht einmal missionieren. Für den Mönch Widukind waren sie nichts als »Barbaren«, »Barbari«; für Bischof Thietmar Törichte, Gottesverächter, unzuverlässig, leicht bestechlich, falsch und grausam, »schlimmer als das unvernünftige Vieh«; Leute, die sogar die Ihren brutal regieren, die man bei bloßem Widerspruch in der Volksversammlung mit Stockschlägen traktiert, deren Hab und Gut man bei offener Widersetzlichkeit einäschert. Unter Christen ging es zwar grundsätzlich nicht anders zu. Doch Wenden, lehrt der Bischof, müßten wie ein Stier gehütet und wie ein Esel gepeitscht werden. »Wenden und Deutsche«, schreibt Albert Hauck, »haben sich nur gehaßt«, weshalb man auf deutscher Seite nach dem Grundsatz vorging, daß gegen sie »nur mit Gewalt und Härte etwas auszurichten sei«. Mochten darum auch Klerus und Mönchtum die Missionierung der Heiden betrieben haben, wird dies doch, wie üblich, wenig effizient gewesen sein. Also dachte man bald gar nicht mehr daran, die Slawen mit »geistlichen Mitteln« herumzukriegen, durch Unterricht, Predigt, durch besondere Obhut und Fürsorge, durch neue Christentempel. Vielmehr, das machen die Beschlüsse der Bamberger Synode 1059 deutlich, appellierte man an den weltlichen Arm: »Widerspenstige sollten mit dem Kirchenbann belegt und von ihren Herren aus ihren Gütern vertrieben werden« (v. Guttenberg). 51
Mit der Slawenbekehrung aber, dem kirchlichen Motiv, ist ein wohl nicht minder relevantes und davon kaum zu trennendes verknüpft: die geographisch sofort ins Auge springende reichspolitische wie strategische Bedeutung des Obermaingebietes, des bayerischen Nordgaus für das Reich. Denn da dieses im Südosten und Nordosten weit vorstieß, lag dazwischen die Mitte sehr zurückgezogen, drang Böhmen, die »terra Slavorum«, wie ein Keil in die Gegend herein. Ausgerechnet die zentrale Ostflanke war einigermaßen ungeschützt und ohne festen Mittelpunkt. Die Reichsregenten hatten dort in eigensüchtigem Interesse die starke lokale Aristokratie bekämpft; hatten erst unter Ludwig dem Kind durch Erzbischof Hatto von Mainz, den niederträchtigsten Schurken seinerzeit, die Babenberger so brutal wie verräterisch liquidiert (V 354 ff.); dann, ein Jahrhundert später, Heinrich von Schweinfurt, den Markgrafen der bayerischen Nordmark, gestürzt und die jeweils Niedergerungenen all ihrer Besitzungen beraubt.
Nun freilich gedachte Heinrich II., das »Machtvakuum« zwischen Steigerwald und Frankenwald nach ottonischem Beispiel durch ein Reichsbistum zu beseitigen und so die eigene Königsmacht am Obermain zu stärken. Denn schließlich war Bamberg auch ein Verbindungsglied zwischen dem Norden und Süden, dem Elbe-Saale-Raum und dem bayerischen Stammland des Herrschers. 52
Wie aber brachte Heinrich das Bistum zustande? Woher nahm er das nötige Land?
Bamberg samt Burg, dem alten castrum Babenberg, seit Auslöschung 906 der Babenberger königliches Eigentum, hatte Otto II. dem Bayernherzog Heinrich dem Zänker, Heinrichs Vater, 973 geschenkt. (Der 1012 geweihte erste Dom trat an die Stelle der einstigen Babenberger Burgkirche und eines dazugehörigen Friedhofs.) Nun vermachte der König am Gründungstag des Bistums diesem Güter und Dörfer aus eigenem Besitz in Bambergs Umgebung, doch auch Ausstattungsgüter bis nach Schwaben und ins heutige Oberösterreich hinein. Außerdem unterwarf er dem neuen Sprengel sechs Klöster, drei Männer- und drei Frauenhäuser, worüber man dort nicht sehr glücklich war. Noch gegen Ende des 12. Jahrhunderts will man im Kloster Kitzingen (Gau Gozfeld) von dem längst kanonisierten Kaiser nichts wissen. Auch in der Abtei Stein im Hegau sieht man sein Lieblingsbistum mit allerwärts zusammengebrachtem ungerechtem Gut bedacht. Mehr als zwei Dutzend Schenkungsurkunden stellte Heinrich bereits zum Gründungstag, 1. November 1007, aus; sie erhöhten sich allmählich um Dutzende.
Neuere Historiker sprechen von »launenhaftem Ehrgeiz«, »maßloser Freigebigkeit«; sogar Benediktiner Romuald Bauerreiss kennt kaum eine Kirchenstiftung von »einer solchen Verschwendung«. Doch da der Heilige das Religiöse mit dem Nützlichen stets schönstens vereinte, so dienten auch die Erträge der Bamberger Diözese »zeitweilig der königlichen Hofhaltung auf Reichstagen« (Prinz). Der vorausschauende Fürst hatte deshalb dem Bistum keines jener Immunitätsprivilegien gewährt, die sonst die Unantastbarkeit kirchlicher Institutionen
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