Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
des Bistums Bamberg, wo man ihn noch heute besonders verehrt.
Die Errichtung dieses Bistums gilt gern als seine bedeutendste kirchliche Leistung, eine seiner »schönsten Handlungen« (Wetzer/Welte). Und angeblich hatte der König, der Bamberg »von klein auf«, sagt Thietmar, »besonders geliebt«, hier »schon immer« ein Bistum errichten wollen, natürlich zum Heil seiner Seele. Seine Ehe war kinderlos, und da sollte Gott sein Erbe sein. Ein ganz persönliches Motiv, mit dem aber die Kirche früh eine »fromme Umdeutung« verband (ein tausend- und abertausendfach bewährter Pfaffen-Trug): Heinrichs Kinderlosigkeit, so hieß es durch die Zeiten, sei die Folge eines Keuschheitsgelübdes, der Josephsehe mit seiner dann gleichfalls sanktifizierten Gattin Kunigunde gewesen.
Davon kann freilich keine Rede sein, soviel man darüber auch gepredigt, geschrieben und so der Welt gleich zwei Heilige, zwei Asketen aufgebunden hat. Meint doch selbst der gelehrte, verhältnismäßig nüchterne (zum Beispiel auch den historischen Charakter der Heldensage bezweifelnde) Mönch Frutolf (gest. 1103) des Bamberger Klosters Michelsberg: »Wie viele bezeugen, erkannte er die Königin Kunigunde niemals, sondern liebte sie wie eine Schwester.« Und noch im 20. Jahrhundert verbreitet der Klerus: »Sie führten zusammen ein wahrhaft engelreines Leben« (van Aerssen). Noch im 20. Jahrhundert offeriert man mit Imprimatur das »Kirchengebet. O Gott, der du am heutigen Tage (15. Juli) deinen hl. Bekenner Heinrich von der höchsten Stufe der irdischen Herrschaft in das Himmelreich versetzt hast, wir bitten dich demütig: gleichwie du ihn mit überreicher Gnade unterstützt hast und ihm beigestanden bist, die Reize der Welt zu besiegen: so verleihe auch uns, daß wir durch dessen Nachahmung die eitlen Freuden dieser Welt überwinden und mit reinem Herzen zu dir gelangen. Amen.«
Die ältesten Nachrichten über diesen ganz keuschen, die Reize der Welt besiegenden Bund stammen aus dem frühen 12. Jahrhundert und gehen nur auf mündliche Tradition zurück, die schon Leibniz als unglaubwürdig erkannte. Vermutlich dürfte die hl. Gattin des hl. Kaisers, sinnig als Patronin der Schwangeren und der Kinder verehrt, im Bett nicht weniger aktiv gewesen sein als im politischen Leben, an dem sie regen Anteil nahm. So inthronisierte sie, als der Heilige Krieg in Burgund führte, ihren Bruder Heinrich als bayerischen Herzog. So organisierte sie während des Gatten Abwesenheit die Landesverteidigung.
Und die Kirche organisierte dann über sie ein Mirakelmärchen nach dem anderen. Ja, ungezählte Wunder geschahen am Grab der hl. Kunigunde: Taube, Stumme, Gelähmte, Blinde, die Kranken erlangten nach dem Zeugnis eines geistlichen Chronisten »in jeder Krankheit Heilung«. Staub vom Grab der Heiligen wurde »oft in Getreidekörner verwandelt«, wie Papst Innozenz III. in seiner Kanonisationsbulle vom 3. April 1200 dekretiert, wo auch bezeugt wird, daß durch sie »Blinde ihr Gesicht, Lahme ihre gesunden Glieder, Stumme ihre Sprache, Taube ihr Gehör und andere Kranke ihre Gesundheit wieder erhalten haben«. Werden doch von der Kaisergattin sogar drei Totenerweckungen berichtet, »welche allen Glauben verdienen« (Donin).
Ein Chronist vermeldet auch: »Mit eigenen Augen haben wir gesehen, daß der vom Grabe der h. Jungfrau gewonnene Staub in wohlriechendes Kraut oder Weihrauch sich verwandelte. Die Hausthiere, welche gestohlen oder von Raubthieren fortgetragen waren, kamen nach einem Gelübde mit Anrufung der h. Kunigunda wieder in ihre Ställe. Wie oft das geschehen, kann man unmöglich aufzählen, da es zahllos war.« Ein aufgehängter Roßdieb gelangte nach Anrufung der Heiligen heil wieder vom Galgen. Auch ein geraubtes Kind wurde vom bösen Wolf wieder zurückgebracht, »unversehrt und freundlich lächelnd«, versteht sich. Ein anderes Kind, schon tot, wurde auf dem Grab der Heiligen wieder lebendig. »Ganz Bamberg ist Zeuge« (Looshorn).
Und viele Jahrhunderte sind Zeuge, daß man mit diesem und ähnlichem, Bibliotheken füllenden, die Vernunft monströs strapazierenden Stuß Generationen um Generationen unglaublich verdummt, doch nicht zuletzt eben dadurch geistlich gegängelt hat.
Eine Josephsehe aber – zurück zu der gloriosen Pfaffenflunkerei – wird durch den König selbst widerlegt. Bekannte er – der »aus mancherlei Gründen« ungeeignet schien, der vielleicht schon früh kränkelte – ja mit eigenem Mund auf der großen, von 35
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